Ärztliche Behandlungsfehler: Ihre Zahl steigt, die Hälfte ist vermeidbar

Die Zahl der Behandlungsfehler in Deutschland steigt. Zumindest erhöht sich die Zahl der gemeldeten Fälle und damit der Mut der Patienten, gegen ärztliche Fehler vorzugehen. Dabei lassen sich nach Ansicht des Bonner Medizinprofessors Martin Hansis die Medizinfehler um die Hälfte reduzieren.

Wie das Hamburger Magazin stern berichtet, hat Hansis, der an der Universität Bonn einen Lehrstuhl für Klinisches Qualitätsmanagement hat, als Ursachen von Fehlbehandlungen in Krankenhäusern vor allem Organisationsmängel und Koordinationsdefizite ausgemacht - beispielsweise werde die Krankenakte nicht präzise geführt, klappe die Absprache zwischen Ärzten nicht oder seien Anweisungen an das Personal nicht klar genug.


Als Konsequenz fordert Hannis auch für die Ärzte ein effektives "Risk Management", bei dem in aller Offenheit intern über jedes Missgeschick diskutiert wird. "Dabei geht es nicht um Schuldzuweisungen, sondern darum, aus gemachten Fehlern zu lernen, um sie effektiv bekämpfen zu können", sagte Hannis. Auch sei in den Kliniken ein Betriebsklima ohne Angst vor Autoritäten und Repression wichtig. Als erster müsse der Chef über eigene Missgeschicke reden, um den untergebenen Ärzten die Angst vor Konsequenzen zu nehmen.


Nach Ansicht von AOK-Vorstandschef Hans Jürgen Ahrens könnte der Medizinbetrieb durch besseres Fehlermanagement auch kräftig sparen. So ließen sich die immensen Haftpflichtsummen von Ärzten und Kliniken deutlich reduzieren, wenn sie gegenüber den Versicherern ein praktiziertes "Fehlermanagement" nachweisen könnten. Jeder Fehler weniger erspare nicht nur dem Patienten Leid, den Behandelnden und Pflegenden Schuldgefühle, Stress und Sanktionen, sondern auch den Kostenträgern Geld, das an anderer Stelle sinnvoll eingesetzt werden könne.


Wie viele Menschen in Deutschland von Medizinfehlern betroffen sind, ist unbekannt. Nach einer Studie des Berliner Robert-Koch-Instituts werden jährlich etwa 12 000 Fehler nachgewiesen. Doch die Dunkelziffer ist nach Expertenmeinung hoch.

Tatsache ist, dass die Konfliktquote im Gesundheitswesen steigt und vermehrt Streit um Kunstfehler und Kostenerstattung stattfinden. So vermuten immer mehr Patienten, einen Behandlungsfehler erlitten zu haben: 2004 gingen beispielsweise bei der Techniker Krankenkasse (TK) rund 6.000 Beschwerden wegen vermuteter Fehlbehandlungen ein. Im Jahr 2000 meldeten die Versicherten der TK nur 1.300 Fälle. "Von Jahr zu Jahr erhöht sich die Anzahl der gemeldeten Fälle - von 2002 auf 2003 hat sich die Zahl sogar verdoppelt", sagt Gudrun Berger, Leiterin der Abteilung Behandlungsfehler des Fachreferates Medizinrecht der TK. "Grundsätzlich heißt das nicht, dass Ärzte mehr Fehler machen; die Patienten haben einfach mehr Mut, gegen die `Halbgötter in Weiß´ anzugehen."

Auch bei der Erstattung von Arztrechnungen bei Privatpatienten steigt die Konfliktquote: Die Mehrzahl der Anwälte des Medizinrechts-Beratungsnetzes berichtet hinsichtlich der Konflikte zwischen Patienten und privaten Krankenversicherern (PKV) von einer Steigerung zwischen 30 und 40 Prozent. Vertrauensanwalt Michael Winkler: "Die PKV erstatten offenbar restriktiver, aber häufig sind sich die Versicherten auch nicht über den Leistungsumfang ihres Versicherungstarifs und die Vertragsbindungen im Klaren."

Unter dem Dach des Medizinrechts-Beratungsnetzes bieten die Vertrauensanwälte der Stiftung Gesundheit bundesweit eine kostenfreie Erstberatung bei Konflikten zwischen Patienten und Ärzten sowie bei Problemen mit Kranken-, Renten- oder Pflegeversicherungen. Die ausgewählten Vertrauensanwälte helfen zu klären, ob der Fall eine rechtliche Dimension hat und welche weiteren Beratungs- und Hilfsangebote zur Verfügung stehen. Den Beratungsschein für das Erstgespräch können Ratsuchende unter der gebührenfreien Rufnummer 0800 / 0 73 24 83 (Montag bis Freitag 9-17 Uhr) anfordern.

WANC 09.12.04





Quelle:
http://www.medizinauskunft.de/home/artikel/index.php/index.php/09_12_behandlungsfehler.php
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