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Kopfprämien für jeden Patienten, den ein Arzt an das Krankenhaus überweist - für Patientenvertreter ein Skandal (Foto: Stock photo)
> Krankenhauseinweisung: Der verkaufte Patient

Dass in unserem Gesundheitswesen nicht
alles so wunderschön ist, wie es von Politikern gerne gelobt wird, ist
wohl jedem klar. Seit um Wartezeiten, Zwei-Klassen-Medizin,
Ärzteproteste, Therapiedefizite, Ärztehonorare und vieles mehr
gestritten wird, weiß auch der letzte Patient: Seine Gesundheit steht
eben nicht überall an erster Stelle. Wie sehr aber Geld auch bei der
Gesundheit mittlerweile die Welt regiert und der Patient zur Ware
degradiert wird, zeigt die Tatsache, dass Krankenhäuser Ärzten Prämien
dafür zahlen, dass sie Kranke zu ihnen einweisen.
Warum weist ein Arzt einen Patienten in eine bestimmte Klinik ein? Weil
er dort die beste Behandlung bekommt? Weil dieses Krankenhaus für diese
Erkrankung besonders spezialisert ist? Falsch. Der Grund ist banaler,
aber für den Arzt lukrativer: Er bekommt für den überwiesenen Patienten
ein Prämie. Bis zu 1000 Euro Kopfgeld sollen laut Frankfurter
Allgemeine Zeitung Kliniken an niedergelassene Ärzte für jeden von ihm
eingewiesenen Kranken zahlen. Nicht in bar, aber indem bestimmte
Leistungen der niedergelassenen Ärzte für das Krankenhaus zu besonders
hohen Honoraren abgerechnet werden dürfen. Unglaublich? Keineswegs. Und nur Einzelfälle, wie der Vize-Präsident
der Bundesärztekammer Dr. Frank-Ulrich Montgomery im heutigen
ARD-Morgenmagazin bekundete? Erst recht nicht. Manfred Wirth, Präsident
der Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU) und Klinikdirektor in
Dresden, gab zu, dass mittlerweile ganze Regionen existieren, in denen
solche Prämien inzwischen gängige Praxis seien. Nach Angaben der DGU
handelt es sich um Summen, die das 10- bis 20-Fache des normalen
Honorars für Urologen pro Quartal und Patient ausmachen. Allerdings,
bisher haben es die Beteiligten geschafft, diesen Prämienwildwuchs
unter der Decke und vor den Patienten versteckt zu halten. Natürlich taucht sofort die Frage auf, wer kommt auf so etwas? Rudolf
Kösters, Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft, sagte
ebenfalls im ARD-Morgenmagazin, dass niedergelassene Ärzte die
treibende Kraft hinter diesem Spiel sind. Diese seien auf die
Krankenhäuser zu gekommen und hätten sie „heftig unter Druck“ gesetzt.
Wenn kein Geld fließe, dann gebe es auch keine Patienten mehr, so die
Drohung. Ausschließen, dass auch Krankenhäuser die Initiative ergriffen
hätten, will er allerdings nicht. Ärztevertreter Montgomery will von Erpressung nichts wissen. Das sei
„kompletter Unsinn“. Er schiebt die Schuld in die Schuhe der Krankenhäuser.
Er kenne „sehr viele Versuche von Krankenhäusern, den Ärzten
unmoralische Angebote zu machen“. Für den Patienten macht das kaum
einen Unterschied, er ist der Angeschmierte. Die DGU bemängelt denn
auch: „Ob die Zuweiser die Prämie fordern oder annehmen - es bleibt ein
juristisch und ethisch überaus fragwürdiges Prozedere.“ Das Ungeheurliche daran: Niemand bestreitet, dass es diese Kopfprämien
gibt. Sowohl Krankenhäuser als auch Ärzte tun so, also ob das gängige
Praxis und eine gute Sache sei. Völlig ohne Schuldbewusstsein trumpfte
Montgomery denn auch auf. Er findet es schade, dass ein „wirklich
gutes, vernünftiges Instrument von Kliniken und Praxis durch diese
Debatte, die als Scheindebatte in den Wahlkampf eingebracht wird,
kaputt gemacht wird“. Diese Verträge seien im Grunde „etwas sehr
gutes“.  Da staunt der geneigte Patient. Wenn Monetik bestimmt, wo er operiert
wird, dann kann er durchaus beunruhigt sein. Aber nein, wiegelt der
Ärztevertreter ab. Natürlich habe das Geld gar keinen Einfluß auf die
Entscheidung. Ärzte würden ihre Patienten nicht nach monetäre Kriterien
in Krankenhäuser einweisen. Wer mag das glauben? Ärztepräsident Jörg-Dietrich Hoppe sagte der FAZ, Geld für eine
Einweisung zu nehmen, sei “total verboten”. Doch die Medizin sei in
hohem Maß kommerzialisiert. „Da halten die Ehrenkodexe nicht mehr.“ Die Musterberufsordnung Ärzten ist allerdings eindeutig. Sie verbietet
„für die Zuweisung von Patienten oder Untersuchungsmaterial ein Entgelt
oder andere Vorteile sich versprechen oder gewähren zu lassen oder
selbst zu versprechen oder zu gewähren". Allerdings weist der Spiegel darauf hin, dass es zahlreiche juristische
Kniffe gebe, die Kooperationen zwischen Zuweisern und Kliniken
gerechtfertigt und legal erscheinen lassen können. Laut DGU nutzen
Ärzte und Krankenhäuser die juristischen Schlupflöcher, um
Kooperationsverträge abzuschließen. Dass die umstrittenen Prämien das Vertrauen zwischen Ärzten und
Patienten untergraben könnten, scheint inzwischen einigen aufzugehen.
Doch beim Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung und der
Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) gibt es keinen Überblick über
die Verbreitung der Praxis, sagen Sprecher. „Aber es ist ein Problem“,
gab die KBV zu. Gemeinsam mit den Kliniken bereite die KBV nun ein
Rundschreiben gegen die Praktiken vor. „Dass niedergelassene Ärzte von Krankenhäusern Prämien für die
Einweisung von Patienten erhalten, ist ein unfassbarer Skandal“,
kritisiert der Vorstand der Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz
Stiftung, Eugen Brysch. Er betonte: „Die Opfer solcher Machenschaften
sind in erster Linie die Schwerstkranken und Sterbenden.“ In ihren
letzten Lebensmonaten würden sie im Schnitt fünfmal zwischen Pflegeheim
und Krankenhaus hin und her überwiesen. „Jetzt kommt heraus, wie sehr
sich das für die niedergelassenen Ärzte lohnt“, warnt Brysch. WANC 02.09.09/ Quelle: ARD-Morgenmagazin, Spiegel-online, Frankfurter Allgemeine Zeitung
 
 
 
 
 
 
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