Viagra für Frauen: Ärzte empfehlen nur kurzfristigen Einsatz

Frauen mit vermindertem Geschlechtsverlangen kann genauso geholfen werden wie Männern mit Potenzproblemen. Die nachlassende weibliche Libido (female sexual arousal disorder) haben Pharmaunternehmen als neue Krankheit etabliert, sagen Kritiker. Behandelt werden kann sie – was für ein Zufall - mit dem gleichen Medikament wie es auch bei Männern eingesetzt wird: Viagra mit dem Wirkstoff Sildefanil. Doch Ärzte warnen nun davor, diese Mittel bei Frauen routinemäßig zu verschreiben.

Die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) berichtet, dass jetzt zwei Tablettenarten von der niederländischen Firma Emotional Brain (bis 2010 von Boehringer/Ingelheim) entwickelt wurden, welche das weibliche Geschlechtsverlangen und -empfinden steigern sollen. Beide, so sagt die DGE, werden mit Testosteron – mit Pfefferminzgeschmack – überzogen. Diese sollen etwa 1 Stunde vor dem Geschlechtsverkehr eingenommen werden und sind noch vor dem Verschlucken abzulutschen. Das Testosteron im Überzug soll die Frauen für sexuelle Reize empfänglicher machen.

Beide Produkte, mit einem recht ähnlichen Namen, enthalten unterschiedliche, aber bereits zugelassene Wirkstoffe: Lybrido, gedacht für die generell lustlose Frau, enthält Sildefanil (Viagra u.a.). Das Mittel soll zu einer besseren Durchblutung der weiblichen Genitalien führen. Lybridos enthält Buspiron, das in Deutschland als Medikament bei Angststörungen auf dem Markt ist (Anxut) und beim Geschlechtsverkehr gestresster, innerlich verkrampfter Frauen günstig wirken soll. Es soll auf das Gehirn wirken und dort den Serotoninstoffwechsel beeinflussen.

Noch laufen die Zulassungsstudien für die beiden Präparate. Experten gehen davon aus, dass sie ab 2016 verfügbar sein werden. Doch obwohl diese Studien noch nicht beendet sind,  gibt es Medikamente mit einem Sildefanil-Kern schon im Internet und werden dort als „Das Viagra für die Frau“ angepriesen. Und zwar unter den Namen Lybrido, Lovegra und Ladygra.

In Deutschland gab es früher ein Testosteronpflaster (Intrinsia) für Frauen nach Ovarektomie, also chirugisch induzierter Menopause. In den USA wurde und wird Testosteron an Frauen mit verminderter Libido durchaus verschrieben.

Die Endocrine Society empfiehlt nur, weiterhin Testosteronspiegel bei gesunden Frauen nicht zu bestimmen sowie Testosteron oder Dehydroepiandrosteron bei Frauen nicht routinemäßig zu verschreiben, auch nicht bei Nebenniereninsuffizienz, wie die DGE betont. Eine Ausnahme macht die Behandlungsempfehlung: die kurzfristige, hoch-physiologische Gabe von Testosteron bei postmenopausalen Frauen mit vermindertem Geschlechtsverlangen. Mit kurzfristig beschreibt die Gesellschaft eine Zeitraum von drei bis maximal sechs Monaten.

Interessant ist, wie die Gesellschaft diese Empfehlung begründet:
1. Der Testosteronspiegel der Frau könne nicht dazu verwendet werden, um eine Aussage dazu zu machen, ob  eine Libidosteigerung durch Gabe von Testosteron überhaupt erzielt werde.
2. Weil bisher nur mangelnde Daten und unzureichende Bestimmungsmethoden verfügbar seien, müsste erst einmal der Verlauf und die Bedeutung von (freiem) Testosteron bei Frauen während der gesamten Lebenszeit bestimmt werden.
3. Ob und wie die nachlassende Libido bei Frauen (in den USA gibt es die Krankheitsbilder androgen deficiency syndrome - Androgenmangel-Syndrom - und hypoactive sexual desire disorder (HSDD) - sexuelle Funktionsstörung) behandelt werden muss, dafür gebe es noch unzureichende Daten. Bisher sei noch nicht geklärt, ob die Vorteile die Risiken überhaupt aufwiegen.

Berliner Ärzteblatt 17.02.2015/ Quelle: Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie, J Clean Endocrinol Metab,





Quelle:
http://www.medizinauskunft.de/home/artikel/index.php/index.php/viagra-fuer-die-frau-17-02-15.php.php
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