> Pflanzenhormone: Keineswegs unbedenklich

Viele Menschen bringen Hormonpräparaten große Vorbehalte entgegen. Dagegen erscheinen Pflanzenstoffe - auch mit hormonähnlichen Bestandteilen - den meisten als die risikolosere und natürlichere Alternative. Doch Phytoöstrogene sind nicht ohne Risiko, deren Wirkung ist oft nicht wissenschaftlich überprüft und manchmal fehlen auch Einschätzungen der Zulassungsbehörden.

Dass bei pflanzlichen Arzneimitteln und Phytoöstrogenen durchaus Vorsicht angebracht ist, betont das Deutsche Krebsforschungszentrum (dkfz.) schon seit Jahren. Man wisse nicht genau, ob die Mittel helfen, mögliche Risiken seien nicht sicher ausgeschlossen und die meisten gar nicht als Medikamente zugelassen. Deshalb würden ihre Inhaltsstoffe nicht in dem Umfang geprüft, wie es für eine Arzneimittelzulassung der Fall ist.

In Bezug auf Phytoöstrogene („Soja und Rotklee enthalten Isoflavone. Dies sind pflanzliche Inhaltsstoffe, die auch als Phytoestrogene bezeichnet werden, weil sie in ihrer chemischen Struktur dem menschlichen Hormon Estrogen ähneln und daher auch hormonähnlich wirken können.“ Stellungnahme* Nr. 039/2007) sagt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), „dass die angenommenenpositiven Wirkungen von isolierten Isoflavonen auf Wechseljahresbeschwerden nach derzeitigem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse als nicht ausreichend gesichert anzusehen sind. Dem BfR bekannt gewordene, unerwünschte Wirkungen wie Übelkeit, Verstopfungen, Schwellungen oder Rötungen sind möglicherweise auf allergi-sche Reaktionen gegen das in den Präparaten enthaltene Sojaeiweiß zurückzuführen oder haben andere Ursachen. …Isoflavone, wenn sie in isolierter oder angereicherter Form und hoher Dosierung gegeben werden, die Funktion der Schilddrüse beeinträchtigen und das Brustdrüsengewebe verändern können.“

Prof. Dr. Barbara Obermayer-Pietsch,  Medizinische Universität Graz, wieß nun darauf hin, dass gesunde Ernährung, wie seit vielen Jahren propagiert  werde, große Anteile an Gemüse und Früchten enthalten sollte. Der Anteil an Pflanzenhormonen und -Mikroben, den wir dabei mit unserer Ernährung aufnehmen, könne zu entscheidenden Hormon- und Stoffwechselwegen beitragen und pleomorphe (zeltverändernde) Wirkungen haben.

Pflanzenhormone sind, so betont Obermayer-Pietsch, essentielle Regulatoren der Pflanzenphysiologie und der involvierten Mikroben, die umgekehrt die Funktionen ihrer Wirtspflanzen entscheidend beeinflussen können. Über die Bereitstellung von Eiweißen und Kohlenhydraten, Spurenelementen und anderen wichtigen Nahrungsbestandteilen beeinflussen Phytohormone im Menschen die Glukosehomöostase (Blutzuckerregulation), Entzündungsprozesse und zelluläre Vorgänge und sind damit wichtige Faktoren für Diabetes, entzündliche Darmerkrankungen oder die Krebsentstehung, aber auch für psychotrope (die Psyche beeinflussende) Effekte über die Darm-Hirn-Achse.

Das Mikrobiom im Darm metabolisiere viele dieser Pflanzenhormone, z.B.  Isoflavone Genistein und Daidzein. So sind Bohnen, u.a. auch Sojabohnen, besonders reich an Phytoöstrogenen, während Phytoandrogene typischerweise in Ginseng oder Galgant aus der Ingwerfamilie und anderen Quellen zu finden.

Pflanzenhormone haben chemische Ähnlichkeiten mit humanen Hormonen, erklärte die Endokrinologin. Die Verstoffwechselung aus den ursprünglichen Pflanzensubstanzen allerdings nur bei Personen, die über die entsprechende mikrobielle „Ausstattung“ in ihrem Darm verfügen. Das kann mit einer Messung im Harn nach entsprechend forcierter Zufuhr (z.B. Sojamilch) nachgewiesen werden. Etwa 30% der Europäer/innen betrifft diese Eigenschaft, in Asien sind es weit mehr Menschen.

Welche Bestandteile des Mikrobioms diese Umwandlung auslösen und wie sie interagieren, sei noch nicht restlos geklärt, genauso wenig wie die möglicherweise betroffenen hormonellen Erkrankungen, Fertilität und Krebsrisiko. Sogar die Inkretinbildung und -wirkung könnten von mikrobiellen Veränderungen betroffen sein.

Auch auf Phänomene der Autoimmunität - z.B. eine „Reprogrammierung“ der Immunzellen über eine erhöhte Kohlenhydratzufuhr im Darm und entsprechend hohe Blutzuckerspiegel - gibt es Hinweise. Dabei kommt es zu überschießenden Aktivierungen des Entzündungsspektrums, die auch nach Rückkehr zu einer niederkalorischen Ernährung bestehen bleiben. Das könnte die Zunahme autoimmuner Prozesse wie der Immunthyreopathien (Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse wie Hashimoto Thyreoiditis  und Morbus Basedow) oder Allergien erklären. Als wichtigster Faktor einer gestörten Darmpermeabilität (Durchlässigkeit der Darmwand) wurde die Hyperglykämie (erhöhter Blutzuckerspiegel) identifiziert, die in umfangreichen Tierversuchen zu einer erhöhten Infektanfälligkeit beigetragen hatte.

2.4.2019 cs / Quelle: Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie

 
 
 
 
 
 
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