Süßstoff: Schädlich oder unschädlich - die Zweifel bleiben

Eine im September 2014 veröffentlichte Studie deckte auf, dass Süßstoffe die Glukose-Intoleranz - eine Vorstufe von Diabetes - fördern und den Stoffwechsel negativ beeinflussen können. Als Grund dafür wurden Veränderungen der Darmbakterien und -flora identifiziert, die die künstlichen Süßmittel bewirken. Nun behauptet die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG), dass das alles doch gar nicht so tragisch sei und es für mögliche Schäden durch Süßstoffe "nach wie vor keinen Beleg" gebe. Dabei ist seit langem der gesundheitliche Nutzen oder Schaden von Süßstoffen heftig umstritten.

Am Weizmann Institut in Israel hatten Wissenschaftler das Trinkwasser von einigen Mäusen elf Wochen lang mit den Süßstoffen Saccharin (E 954), Sucralose (E 955) oder Aspartam (E 951) angereichert. Andere Mäuse tranken mit Glukose (Traubenzucker) oder Saccharose (Zucker) gesüßtes Wasser. Doch nicht die Tiere, deren Wasser Zucker enthalten hatte, sondern die, deren Trinkwasser mit Süßstoffen versetzt worden war, wiesen erhöhte Zuckerwerte im Blut auf. Ärzte nennen hohe Blutzuckerwerte "gestörte Glukosetoleranz" und bezeichnen damit einen Risikofaktor für Typ-2-Diabetes.

Außerdem analysierten die Forscher die Vitalsten von 381 Frauen und Männern ohne Diabetes. Dabei fanden sie heraus, dass diejenigen, die Süßstoffe verwendeten, höhere Nüchtern­blutzucker- und HbA1c (Langzeit-Blutzucker)-Werte sowie eine Glukosetolerenz hatten. Bei den Teilnehmern/innen, die Süßstoffe benutzt hatten, wurde zudem eine Veränderung der Darmflora diganostiziert.

Soweit die Studie. Nun kommt die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) und wischt diese Erkenntnisse vom Tische: „Aus Sicht der DDG gibt es nach wie vor keinen Beleg dafür, dass der maßvolle Gebrauch von Süßstoff dem Menschen schadet und etwa das Risiko für Typ-2-Diabetes erhöht." Aha. Und warum kommt die Fachgesellschaft zu einer derartigen Einschätzung? Die Antwort gibt Professor Dr. med. Jochen Seufert, Leiter der Abteilung Endokrinologie und Diabetologie am Universitätsklinikum Freiburg: „Aus diesem Ergebnis abzuleiten, dass der Gebrauch von Süßstoff generell das Diabetes-Risiko erhöht, ist jedoch zum jetzigen Zeitpunkt übertrieben. Denn um die in den Studien verwendeten Dosierungen im Rahmen einer normalen Ernährung zu erreichen, müsste man beispielsweise literweise mit Süßstoffen gesüßte Diät-Getränke täglich trinken, und das ist unrealistisch.“

Ist es das wirklich? Die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) schätzt die Situation offensichtlich etwas anders ein. Weil Süßstoffe nicht nur in Diät- oder Light-Getränken enthalten sind, sondern auch immer häufiger Fertignahrungsmitteln zugesetzt werden, könnte ihre Bewertung als unbedenklich zu gelten, „so jetzt nicht mehr aufrechthalten werden". Diese versteckten Süßstoff-Depots sind aber nicht die einzige Gefahr. So haben die europäische Lebensmittelbehörde EFSA für Aspartam z.B. einen Höchstwert 40 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht und Tag festgelegt. Eine 60 Kilogramm schwere Frau darf demnach 4 Liter mit Aspartam gesüßte Limonade trinken, bei einem Kind sind es aber gerade noch 1,5 Liter Limonade. Wer viel Fertig-Lebensmittel zu sich nimmt, erreicht die Höchstwerte schnell. Und: Es gibt nicht wenige, die die von der EFSA propagierten Höchstwerte als viel zu hoch einstufen.

Vorsicht ist also geboten. Auch aus einem anderen Grund, den selbst die DDG nicht mehr einfach so bei Seite schieben kann. Bemerkenswert sei die Studie, weil sie nahelege, dass "Süßstoff die Zusammensetzung der Bakterien im Darm verändert", räumt die Fachgesellschaft ein. Dass Süßstoff "offenbar das Wachstum von Darmbakterien, die die Aufnahme von Zucker ins Blut steigern und damit den Blutzuckerwert erhöhen", findet Seufert "eine spannende neue Erkenntnis“.

Berliner Ärzteblatt 02.12.2014/ Quelle: Nature





Quelle:
http://www.medizinauskunft.de/home/artikel/index.php/index.php/suessstoff-02-12-14.php
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