> Der Darm und das Herz: Warum sie enger verbunden sind, als man denkt

Unsere Ernährung beeinfluß die Gesundheit des gesamten Körpers. Sie wirkt sich auch darauf aus, ob Herz und Kreislauf erkranken. Eine ganz bedeutende Rolle spielt dabei der Darm, dessen Wohlergehen sich unmittelbar auf die Höhe des Blutdrucks auswirkt.  

Dass Darmbakterien Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursachen können, wird schon länger vermutet. Im vergangenen Jahr haben Wissenschaftler des  Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) nachgewiesen, dass ein spezielles Stoffwechselprodukt des Darmes, das Trimethylamin, die Entstehung von Atherosklerose, einem Risikofaktor für Herz-Kreislauferkrankungen sowie Schlaganfall oder Herzinfarkt, fördert. Diese Abbauprodukte entstehen z.B. bei der Verdauung von Lebensmitteln wie Fleisch und Eiern, in denen eine Substanz namens Cholin hoch konzentriert enthalten ist.

Der Darm und seine Bakterien verwertet Nahrung also nicht nur zu  essentiellen Mikronährstoffen, darunter Vitamine. Die Darmflora kann auch dabei helfen, vor den schädlichen Folgen von Bluthochdruck zu schützen. Das geschieht indem Darmkeime aus den Ballaststoffen in der Nahrung unter anderem eine Fettsäure namens Propionsäure herstellt.

Was die bewirkt, hat ein Berliner Forschungsteam vom Experimental and Clinical Research Center (ECRC) gezeigt. Die Forscher/innen verfütterten Propionsäure an Mäuse mit erhöhtem Blutdruck. Die Tiere hatten anschließend weniger ausgeprägte Herzschäden oder krankhafte Vergrößerungen des Organs und waren in der Folge weniger anfällig für Herzrhythmusstörungen.

Auch Gefäßschäden wie Atherosklerose gingen bei den Mäusen zurück. „Propionsäure wirkt gegen ein Spektrum an bluthochdruckbedingten Schädigungen des Herz-Kreislaufsystems“, sagt der MDC-Forscher Prof. Dominik N. Müller. „Interessant könnte das vor allem für die Behandlung von Patienten werden, die zu wenig von dieser Fettsäure haben.“

Die Substanz nimmt den Umweg über das Immunsystem und wirkt so auf Herz und Gefäße ein, beschreiben die Wissenschaftler den Mechanismus. Dies beeinflusse unmittelbar die Leistungsfähigkeit des Herzens. So konnte das Forschungsteam bei 70% der unbehandelten Mäuse durch einen gezielten elektrischen Reiz Herzrhythmusstörungen auslösen.

Durch die Behandlung mit der Fettsäure war lediglich ein Fünftel Tiere dafür anfällig. Weitere Untersuchungen mit Ultraschall, Gewebeschnitten oder Einzelzellanalysen zeigten, dass Propionsäure auch blutdruckbedingte Schäden am Herz-Kreislauf-System der Tiere verminderte und ihre Überlebensrate wesentlich steigerte.

Schalteten die Forscherinnen und Forscher jedoch einen bestimmten Subtyp der T-Zellen, die sogenannten regulatorischen T-Zellen, im Körper der Mäuse aus, verschwanden die positiven Effekte der Propionsäure. Die Immunzellen sind also für den heilsamen Effekt der Substanz unbedingt notwendig.

Die Ergebnisse erklären, warum eine ballaststoffreiche Diät Herz-Kreislauf-Krankheiten vorbeugt, wie sie von Ernährungsgesellschaften empfohlen wird. Vollkornprodukte und Früchte enthalten zum Beispiel Fasern aus Zellulose und Inulin, das als ein Ballaststoff mit präbiotischer Wirkung, der die Darmflora stärkt, bezeichnet wird. Unter anderem daraus stellen Darmbakterien nützliche Moleküle her, wie die kurzkettige Fettsäure Propionsäure.

Durch die Studie ergäben sich nun neue Wege in der Therapie von Herzkreislaufkranken, sagen die Wissenschaftler, beispielsweise indem Propionsäure oder eine chemische Vorstufe direkt als Medikament verabreicht werde – etwa an Betroffene, die selbst zu wenig davon im Blut haben.

Ob das allerdings beim Menschen tatsächlich funktioniert, muss es noch an diesen untersucht werden. Dass die Propionsäure sicher für den menschlichen Konsum sei und überdies kostengünstig herstellbar, stehr bereits fest: Die Substanz werde seit Jahrhunderten benutzt, etwa als Konservierungsmittel. Sie sei außerdem als Lebensmittelzusatzstoff zugelassen.

19.12.2018 cs / Quelle: Circulation

 
 
 
 
 
 
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