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Wie gefährlich die Pestizidbelastung von Johannisbeeren wirklich ist, darüber gib es unterschiedliche Meinungen (Foto: Stockbyte)
> Johannisbeeren: Mit Pestiziden verseucht – oder nicht?

In Deutschland angebaute
Johannisbeeren sind laut einem Greenpeace-Test stark mit Pestiziden
belastet. Stimmt nicht, sagt dagegen das Bundesamt für
Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) in Braunschweig:
Strauchbeeren sind gesundheitlich unbedenklich. Die Verwirrung der
unterschiedlichen Einschätzungen bleibt am Verbraucher hängen: Wem von
beiden man glaubt, muß er selbst entscheiden. Kein Wunder, dass das
Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in einer Umfrage zu dem
Ergebnis kommt, dass sich die Deutschen über Rückstände von
Pflanzenschutzmitteln in Lebensmitteln unzureichend informiert fühlen.
“In jeder untersuchten Johannisbeere stecken im Schnitt sechs
Pestizide", bemängelt Greenpeace-Chemieexperte Manfred Santen. "Beim
letzten Beeren-Test 2006 wurden im Vergleich nur drei Pestizide pro
Probe festgestellt. Einige der jetzt in Johannisbeeren nachgewiesenen
Spritzmittel können nervengiftig oder krebserregend wirken, sowie den Hormonhaushalt und die Fortpflanzung beeinträchtigen. Es ist zudem ein
Skandal, dass erneut Pestizide ohne EU-Zulassung aufgetaucht sind." An den Tag gebracht haben das Laboranalysen von Beeren-Proben aus vier
großen deutschen Handelsketten. Alle dreizehn konventionellen
Johannisbeer-Proben stammen aus deutschem Obstanbau, überwiegend aus
Baden-Württemberg. Lebensmittelüberwachung und Bauernverband in
Baden-Württemberg hatten laut Greenpeace nach dem Test 2006 bessere
Kontrollen angekündigt. Offenbar sei der Pestizid-Einsatz jedoch
gestiegen. Beeren aus deutscher Produktion, die bei Edeka und
Tengelmann verkauft wurden, beinhalteten sogar die illegalen Agrargifte
Dodin und Difenoconazol. Beide Substanzen besitzen keine Zulassung für
den deutschen Johannisbeer-Anbau, betont Greenpeace. Bio-Produkte dagegen seien im Test rückstandsfrei. Auch bei Himbeeren
zeigte sich ein Trend zu weniger Pestiziden. 29 Prozent der getesteten
Himbeeren waren pestizidfrei. Im Schnitt fanden sich zwei verschiedene
Pestizide in den Himbeeren, mit Mengen jeweils unter dem gesetzlichen
Grenzwert. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) in
Braunschweig reagierte umgehend und meldete: Strauchbeeren sind
gesundheitlich unbedenklich. Von Johannisbeeren und Himbeeren gingen
keine gesundheitlichen Gefahren für die Verbraucher aus. “Alle 21
Wirkstoffe, die in den Proben nachweisbar waren, sind aktuell in der EU
in Pflanzenschutzmitteln zulässig. 18 Wirkstoffe wurden in die EU-weite
Positivliste aufgenommen, für die übrigen drei gelten derzeit
Übergangsfristen.” Allerdings: “Die Rückstände an Dodin und
Difenoconazol liegen unterhalb des zulässigen Höchstgehaltes von 0,2
mg/kg; damit ist die Ware verkehrsfähig.” Darauf Greenpeace: “Die heute vom Bundesamt für Verbraucherschutz und
Lebensmittelsicherheit (BVL) geäußerte Kritik ist falsch. Richtig ist:
Greenpeace hat bei den Pestizidtests auf den Beeren zum Teil eine ganze
Reihe verschiedener Pestiziden gefunden. Nach wie vor gibt es keine
Studien, die die tatsächlichen Gefahren von Pestizid-Cocktails
abschließend bewerten. Hier existiert eine Gesetzes- und Wissenslücke,
die dringend geschlossen werden muss. Auch wenn bei den untersuchten
Beeren keine Grenzwerte für einzelne Pestizide überschritten wurden,
macht hier die Summe der Wirkstoffe die potentielle Gefahr aus.“ Wer hat nun Recht? Wem darf man glauben? Wen wundert es da, dass
Verbraucherinnen und Verbraucher zwar großes Interesse am Thema
bekunden, sich aber unzureichend informiert fühlen. Das ergab eine
repräsentative Bevölkerungsbefragung, die vom Bundesinstitut für
Risikobewertung (BfR) in Auftrag gegeben worden war. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass Informationen über
Pflanzenschutzmittel bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern nicht
ankommen. Die Folge sind Fehleinschätzungen über die Verwendung und die
gesetzliche Regulierung von Pflanzenschutzmitteln. „Fast 70 Prozent der
Befragten gehen davon aus, dass Lebensmittel gar keine Rückstände von
Pflanzenschutzmitteln enthalten dürfen“, sagt Professor Dr. Dr. Andreas
Hensel, Präsident des BfR. „In der Bevölkerung ist nicht bekannt, dass
Rückstände in geringen Mengen erlaubt sind, wenn sie gesundheitlich
unbedenklich sind.“ Anmerkung: Auch die Studie kann die Probleme nicht lösen, die der
Streit zwischen Greenpeace und BVL offenbart: Was ist gesundheitlich
unbedenklich? Sind die erlaubten Rückstandsmengen wirklich
ungefährlich? Welche Gefahren drohen von Pestizidcocktails, deren
Einzelbestandteile die erlaubten Mengen nicht überschreiten – aber wie
sind sie in ihrer Summe zu bewerten? Auch darüber scheiden sich
eindeutig die Geister. Der Streit der Gelehrten hilft dem Verbraucher
allerdings wenig. Er ist – wie fast immer – auf sich allein gestellt.
Und muß für sich entscheiden, wo er ein Gesundheitsrisiko sieht und wo
nicht. WANC 30.07.10, Quelle: Greenpeace, BVL, BfR
 
 
 
 
 
 
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