Gesundheitsangaben auf Lebensmitteln: Nichts als die Wahrheit

Wer heute die Werbung für Lebensmittel
schaut, fühlt sich manchmal in den Garten der Gesundheit versetzt. Da
spriest es nur so vor körperbewußter Ernährung, Senkung des
Cholesterinspiegels, Aufhalten des Alterungsprozesses, Stärkung der
Abwehrkraft, Regulierung des Darms. Die Zahl der Lebensmittel, die über
ihre Gesundheitswirkung beworben und verkauft wird, steigt ständig.
Doch halten alle diese Produkte ihr Versprechen? Die Health Claims
Verordnung soll Wahrheit in die Aussagen bringen. Wann sie kommt und ob
sie der Anforderung gerecht wird, ist fraglich.


Das Europäische Parlament legte am 20.12.2006 (Verordnung EG Nr.
1924/2006) folgendes fest: Nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben in
der Werbung und Kennzeichnung von Lebensmitteln, einschließlich
Nahrungsergänzungsmittel, sind nur noch zulässig, wenn sie durch die
"Health-Claims-Verordnung" ausdrücklich zugelassen sind und den von der
Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) noch zu
entwickelnden Nährwertprofilen entsprechen. Bisher gilt: Ist eine Angabe (z.B. Werbeaussage) nicht zugelassen, darf
sie nicht verwendet werden. Es gilt ein Verbotsprinzip: "Was nicht
erlaubt ist, ist verboten." Dies ist für Deutschland eine völlig neue
Situation. Es gilt zudem ein strenger Wissenschaftsvorbehalt: Zulässig
ist nur, was durch anerkannte wissenschaftliche Erkenntnisse
nachgewiesen ist. Was den Verbrauchern dienen sollte, die Industrie und Werbewirtschaft
aber verärgert, scheint nun im europäischen Beratungsdschungel zu
verkommen. Im Jahr 2008 haben die europäischen Mitgliedstaaten über
44.000 Claims (gesundheitsbezogene Angaben) zur Bewertung an die
EU-Kommission eingereicht. Nach Durchsicht dieser Liste hat die EFSA am
21.01.2009 eine Anzahl von 4.185 Health Claims veröffentlicht, die im
Hinblick auf einen Eintrag in die Europäische Gemeinschaftsliste weiter
geprüft werden sollen. Nun liegen die ersten wissenschaftlichen Bewertungen vor. Und die
stimmen nicht gerade hoffnungsfroh. Die EFSA kritisiert, dass z.B.
viele Anwendungsbereiche unklar, Formulierungen zu ungenau und vielen
Inhaltsstoffe nur unzureichend beschrieben sind. So enthalten die
bisherigen Gutachten wissenschaftliche Empfehlungen zu 523
gesundheitsbezogenen Angaben, die sich auf mehr als 200 Lebensmittel
und Lebensmittelbestandteile beziehen, darunter z. B. Vitamine und
Mineralstoffe, Ballaststoffe, Fette, Kohlenhydrate, „probiotische“
Bakterien und pflanzliche Stoffe. Nur für ungefähr ein Drittel der
Angaben ist die Bewertung positiv ausgefallen, da ausreichende
wissenschaftliche Belege zu den gesundheitsbezogenen Angaben vorlagen.
Diese Angaben betreffen hauptsächlich Vitamine und Mineralstoffe, aber
auch diätetische Ballaststoffe und Fettsäuren zum Aufrechthalten
angemessener Cholesterinspiegel, sowie zuckerfreies Kaugummi für die
Zahnpflege. Quelle: Titanic So denkt die Satirezeitschrift Titanic über die Gesundheitsversprechungen, die Hersteller von Lebensmitteln machen Bei fast der Hälfte der negativen Bewertungen war die Substanz, auf die
sich eine bestimmte Angabe bezog, nur unzureichend beschrieben, was
beispielsweise bei „probiotischen“ Bakterien und pflanzlichen Stoffen
der Fall ist. Ohne eindeutige Beschreibung einer Substanz konnte das
Gremium nicht überprüfen, ob sich der wissenschaftliche Nachweis,
welcher der EFSA vorlag, und die gesundheitlichen Vorteile auf dieselbe
Substanz bezogen. Dieses Ergebnis ernüchtert. Und bei vielen Unternehmen brennt die
Hütte, weil sie ganze Produktgruppen gefährdet sehen. Kein Wunder, dass
die Lobbyistenwellen über Brüssel und auch die deutsche Politik
schwappt. Sie scheint Erfolg zu haben. Denn mittlerweile will sich die
neue Bundesregierung mit der Health-Claims-Verordnung beschäftigen.
CDU, CSU und FDP haben im Koalitionsvertrag vereinbart: „Die
EU-Verordnung über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben von
Lebensmitteln (Health-Claims-Verordnung) ist praxisgerecht und
verbraucherorientiert zu verbessern.“ Was das bedeuten soll? Eher nichts Gutes. Denn diese Formulierung lässt
darauf schließen, dass die Auflagen der Verordnung eher verwässert und
industriefreundlich umgestaltet werden. Der Verbraucher ist in solchen
Fällen immer das Feigenblatt, das man umschnallt, wenn es darum geht,
knallharte wirtschaftliche Interessen zu verteidigen. Damit wird sich der Zeitplan der EU kaum halten lassen. Ursprünglich
war die Veröffentlichung des vollständigen Gemeinschaftsregisters durch
die Europäische Kommission für den 31.01.2010 festgesetzt. Doch davon
spricht kaum noch jemand. Vor allem, weil nach der Veröffentlichung der
ersten Gutachten erst einmal mit Teillisten zu den jeweiligen Claims zu
rechnen ist. Was die Verbraucher tatsächlich von diesem Gerangel halten, haben sie
in einer Umfrage kund getan. Demnach sollen Gesundheitsangaben (Health
Claims) erst auf Lebensmitteln stehen, wenn sie wissenschaftlich
bewiesen sind, meinen 65 Prozent der Verbraucher. 18 Prozent wären mit
Werbeaussagen einverstanden, die noch nicht ganz abgesichert sind,
vorausgesetzt, man findet einen Hinweis dazu auf der Verpackung. Neun
Prozent sind sogar der Meinung, dass Gesundheitswerbung auf
Lebensmitteln grundsätzlich nichts zu suchen hat, selbst wenn ein
wissenschaftlicher Nachweis vorliegt. Diese Studienergebnisse präsentierte Professor Monika Hartmann,
Universität Bonn, auf dem Kongress "Lebensmittel mit Zusatznutzen",
einer Veranstaltung des Clustermanagement Ernährung.NRW und des Bonner
Agrar- und Ernährungsnetzwerkes, BAEN. Der Auftrag an die Politik
scheint also eindeutig: Gesundheitsangaben sollen wissenschaftlich
fundiert sein. Die Frage bleibe allerdings, auf welchem wissenschaftlichen Niveau
dieser Nachweis geführt werden müsse. Sind die Anforderungen zu
niedrig, dann wird unter Umständen ein falscher Claim zugelassen, sind
die Anforderungen an den Nachweis zu hoch, dann werden möglicherweise
richtige Claims nicht genehmigt. In beiden Fällen wäre die Entscheidung
für den Verbraucher nachteilig. Doch auch wenn eine Angabe objektiv richtig sei, dann bedeute das noch
lange nicht, dass sie auch richtig verstanden werde, stellte Hartmann
fest. So könne eine unterschiedliche Beschreibung der objektiv selben
Eigenschaft die Produktbeurteilung der Konsumenten beeinflussen.
Studien zeigen beispielsweise, dass Verbraucher Hackfleisch mit der
Angabe " zu 75 % mager" positiver bewerten als Hackfleisch mit dem
Hinweis "Fettanteil 25 %". Auch die subjektive Wahrnehmung spiele also
eine wichtige Rolle beim Nutzen, den Claims für Verbraucher haben. Damit Verbraucher Gesundheitsangaben nicht falsch verstehen, müssten
Hersteller, die Gesundheitsangaben machen wollen, auf dem Produkt eine
Reihe von zusätzlichen Hinweisen geben, so schreibt es die europäische
Claims-Verordnung vor. Dazu gehören unter anderem Hinweise zur Relevanz
einer ausgewogenen Ernährung und einer gesunden Lebensweise, Angaben
zur Menge, die konsumiert werden muss, um eine positive Wirkung zu
erzielen sowie umfangreiche Nährwertangaben. Diese Angaben sollen zu
einem besseren Verständnis der Claims beitragen. Hartmann gibt aber die
Gefahr der Informationsüberlastung zu bedenken. “Wir suchen das Wissen,
das wir durch Information verloren haben", zitierte sie den
Nobelpreisträger Thomas Stearns Eliot. WANC 26.11.09/ Quelle: aid / health-claims-verordnung.de





Quelle:
http://www.medizinauskunft.de/home/artikel/index.php/index.php/26_11_health_claims.php
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