Essen vor der Glotze: „Denkbar ungesund“

Essen ist mehr, als nur das
Hungergefühl zu besänftigen. Wissenschaftler sind sich immer sicherer,
dass eine gemeinsame Mahlzeit nicht nur wichtige soziale Funktionen
erfüllt. Menschen, die beispielsweise vor dem Fernseher oder Computer
essen, empfinden kein richtiges Sättigungsgefühl. Deshalb verzehren sie
mehr als diejenigen, die ihre Nahrungsaufnahme am Esstisch und zusammen
mit der Familie erledigen. Vielleicht ein Grund mehr, warum Kinder, die
ständig vor dem Bildschirm hocken, mehr Gewicht mit sich herum
schleppen.


Wer während der Mahlzeit vor dem Computer sitzt und arbeitet,
entwickelt kein ordentliches Sättigungsgefühl und ist in Folge
hungriger. Wahrnehmung und Aufmerksamkeit spielen somit beim Essen eine
wichtige Rolle, berichten britische Forscher um Jeff Brunstrom von der
Universität Bristol. „Hunger und Sättigung hängen nicht nur von der
Kalorienaufnahme ab, sondern auch von zahlreichen psychischen Faktoren.
Nebenbei zu essen ist deshalb denkbar ungesund", ergänzt der Fuldaer
Ernährungspsychologe Christoph Klotter. Die Forscher luden ihre Versuchspersonen zum Mittagessen ein und
setzten allen das gleiche Menü aus neun verschiedenen Zutaten vor. Eine
Hälfte der Probanden spielten während dem Essen am Computer das
Kartenspiel "Solitaire", die andere nicht. Die abgelenkten Esser
fühlten sich unmittelbar danach weniger satt, ermittelten die
Wissenschaftler. Sie fanden jedoch auch langfristige Auswirkungen.
Innerhalb einer halben Stunde nach dem Essen verlangten die
Computerspieler im Schnitt doppelt so viele Snacks wie die andere
Gruppe, zudem gelang es ihnen schlechter, sich an Details des
Mittagessens zu erinnern. „Wer nebenbei isst, erlaubt seinen Sinnen nicht, sich auf das Essen zu
konzentrieren. Dadurch gelingt kein richtiger Genuss", erklärt Klotter,
der an der Fachhochschule Fulda tätig ist. Es gibt anscheind also auch
so etwas wie eine „psychische Sättigung", die bereits bei der
Zubereitung des Essens beginnt. „Wer spätabends von der Arbeit
heimkommt und aus Zeitmangel nur Brot mit Nutella isst, spürt dass er
nichts Richtiges gegessen hat und dass irgendetwas fehlt. Wer sich
hingegen zum Kochen Zeit nimmt, ist dadurch trotz weniger Kalorien in
der Regel befriedigter." Ohne Aufmerksamkeit und somit ohne Genuss zu essen ist laut Klotter für
viele Menschen ein "Riesenproblem", das sich durch den
Gesellschaftswandel nur noch zuspitzt. „Früher strukturierte das Essen
morgens, mittags und abends ganz klar den Tag. Heute ist die Arbeit das
Zeitmaß und das Essen nebenbei - etwa in der U-Bahn - nimmt dramatisch
zu." Eine bedeutende Komponente sei auch der soziale Charakter des
Essens, da Mahlzeiten in Gesellschaft vor dem "vor sich-hin-fressen"
schützen. Dass eine gute Esssituation auch gesund ist, verdeutlicht der
Kulturenvergleich. „Die Mittelmeer-Länder haben traditionell eine
ausgeprägte Esskultur. Spanier sind nicht krank oder haben keine
kürzere Lebenserwartung, obwohl sie im Vergleich eher bewegungsfaul
sind. Auch die Franzosen sterben nicht vorwiegend an
Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wie man aufgrund ihrer cholesterinreichen
Ernährung vermuten könnte." Für entscheidend hält Klotter, dass das
Essen in erster Linie zwischenmenschliches Zusammenkommen bedeutet und
somit ein Ritual darstellt. Wie wichtig gemeinsame Mahlzeiten sind, hatten schon Forscher der
University of Illinois bestätigt. Teenager, die gemeinsame Mahlzeiten
im Familienkreis einnehmen, greifen weniger oft zum Glimmstängel und zu
Marihuana und trinken weniger Alkohol. Zudem hätten Kinder, deren
Familien regelmäßig gemeinsam am Tisch sitzen, einen deutlich größeren
Wortschatz. Offensichtlich wirkt sich das gemeinsame Mahl auch positiv
auf die gesamte Esskultur des Nachwuchses aus und verursacht weniger
oft Essstörungen bei Kindern. Zudem sind Kinder, die gemeinsam mit
ihren Eltern essen, seltener starkt übergewichtig. WANC 20.12.10, Quelle: American Journal of Clinical Nutrition, pte





Quelle:
http://www.medizinauskunft.de/home/artikel/index.php/index.php/20_12_mahlzeit.php
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