Foto: Stock photo
Blei im Trinkwasser: Ursache für Nervenkrankheiten bei Kindern und Bluthochdruck bei Erwachsenen (Foto: Stock photo)
> Blei in Lebensmitteln: Nie ohne Gefahren

Das Gremium für Verunreinigungen in
der Lebensmittelkette (CONTAM-Gremium) der Europäischen Behörde für
Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat in einem Gutachten mögliche
gesundheitliche Risiken in Bezug auf das Vorkommen von Blei in
Lebensmitteln bewertet. Zwar kommt das Gutachten zu dem Ergebnis, dass
der derzeitige Grad der Bleibelastung ein geringes bis
vernachlässigbares Gesundheitsrisiko für die meisten Erwachsenen
darstellt. Bedenken bestehen insbesondere wegen möglicher Auswirkungen
auf die neurologische Entwicklung von Kleinkindern. Das Problem: Es
existiert keine unbedenkliche Minimaldosis. Experten fordern deshalb
eine Reduzierung der Schwellenwerte.
Blei ist ein Umweltgift. Es kommt beispielsweise in Benzin, Farbe,
Lebensmittelkonserven und Rohrleitungen vor. Obwohl Maßnahmen ergriffen
wurden, um die Bleibelastung zu verringern, bestehen Bedenken, weil
Blei in die Lebensmittelkette gelangen kann. Das CONTAM-Gremium ist der Ansicht, dass Getreide, Gemüse und
Leitungswasser den größten Anteil an der durch Nahrungsmittel bedingten
Bleibelastung der Europäer ausmachen. Die nicht ernährungsbedingte
Bleibelastung von Erwachsenen wird als lediglich von geringer Bedeutung
angesehen, für Kinder jedoch können Hausstaub und Schmutz wichtige
Belastungsquellen darstellen. Den Erkenntnissen des CONTAM-Gremiums
zufolge stellen niedrigere Intelligenzquotienten (IQ) bei Kleinkindern
und hoher Blutdruck bei Erwachsenen die hauptsächlichen
gesundheitlichen Auswirkungen einer Bleibelastung dar. Das Gremium konnte aber keinen neuen Richtwert einer Höchstbelastung
festgelegen, weil „kein eindeutiger Schwellenwert besteht, unterhalb
dessen das Gremium sicher sein kann, dass keine nachteiligen
gesundheitlichen Auswirkungen auftreten“. Das Gremium hat daher die
aktuellen Expositionsabschätzungen für verschiedene Bevölkerungsgruppen
mit Werten verglichen, oberhalb derer nachteilige gesundheitliche
Auswirkungen auftreten können. Im Ergebnis ist das Gremium zu der
Schlussfolgerung gelangt, dass insbesondere Bedenken im Hinblick auf
mögliche Auswirkungen bezüglich der neurologischen Entwicklung von
Föten, Kleinkindern und Kindern bestehen. Dr. Philippe Grandjean von der University of Southern Denmark in Odense
sowie der Harvard School of Public Health in Boston hat diese
Ergebnisse des CONTAM-Germiums jetzt im Lancet kommentiert. Nach
Grandjeans Feststellungen bedeuten die Ergebnisse der EBL, dass alle
gegenwärtigen Gesetze der Europäischen Union zu Bleikonzentrationen in
Trinkwasser, Nahrung und der Luft, die alle auf Grenzwerten der
Weltgesundheitsorganisation WHO beruhen, einer nach unten gerichteten
Änderung bedürfen. Er betont, dass die Blei verarbeitende Industrie bereit wäre, ihre
Schadstoffbelastungen zu kontrollieren, dies allerding nur auf der
Basis eindeutiger Fakten. Allerdings besteht eine erhebliche
Verzögerung im Eintreffen überzeugender Hinweise. Betont Grandjean:
"Wir wissen nun, dass Belastungen mit Blei das Risiko einer
verringerten Intelligenz,
Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörungen (ADHS), Schulversagen
und kriminellem Verhalten steigert. Die EBL betont auch, dass
Belastungen mit Blei mit bei älteren Menschen häufig auftretenden
Erkrankungen wie Bluthochdruck, Nierenfunktionsstörungen und
neurokognitiven Verlusten verknüpft sind, wobei der Belastungsgrad
hierfür nur geringfügig über jenem Wert liegen könnte, der die
Hirnentwicklung bei Kindern beeinträchtigt." Grandjean folgert: „Angesichts neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse
müssen behördliche Strategien überarbeitet werden, allerdings sollten
die Einblicke, die wir gewinnen konnten, auch mit breiterer Perspektive
über das Blei als einzelnen Giftstoff hinaus angewandt werden. Vor
diesem EBL-Bericht wurde das Fehlen von Hinweisen häufig als Beweis für
das Fehlen von nachteiligen Auswirkungen angesehen. Daher galt eine
chemische Gefährdung solange als harmlos, bis ein gegenteiliger Beweis
erbracht wurde. Obwohl wir es nun besser wissen, hat eine ganze
Generation von Kindern den Preis für uns bezahlt, um Einblicke in die
Verschmutzungen mit Blei zu gweinnen. Zukünftige Risikobewertungen
sollten die Risiken niedrigdosierter Giftigkeit bei empfindlichen
Bevölkerungsgruppen nicht unterschätzen, nur weil aussagekräftige
Hinweise nicht verfügbar sind." Schon im Jahr 2009 kamen Experten am Centre for Child and Adolescent
Health der Universität von Bristol zu der Erkenntnis, dass die heutige
Bleibelastung der Umwelt für Kinder noch immer gefährlich sein dürfte.
Kinder mit fünf bis zehn Mikrogramm Blei erreichten bei Lese- und
Schreibtests nur halb so viele Punkte wie Kinder mit geringeren
Bleiwerten. Ab zehn Mikrogramm war zudem antisoziales Verhalten bis hin
zur Hyperaktivität dreimal so häufig. „Kinderärzte sollten Kinder mit
derartigen Auffälligkeiten nach Blei im Blut untersuchen. Denn Blei
gehört zu den vielen Umweltfaktoren, die die Entwicklung beeinflussen",
empfiehlt Studienleiter Alan Emond. Blei ist ein Gift, das das Nervensystem des Menschen angreift.
„Chronische Bleibelastung kann zu Verhaltensauffälligkeiten, zu
Lethargie, Bewegungsstörungen, kolikartigen Bauchschmerzen und auch zur
Minderung der Intelligenz führen", erklärt Martin Ebbecke vom
Gift-Informationszentrum Nord. Anders als viele gefährliche Substanzen,
die in kleinen Mengen für den Körper sogar notwendig seien, habe Blei
keinen physiologischen Wert. „Einen unschädlichen minimalen Grenzwert
gibt es somit nicht." Die WHO hat 1991 zehn Mikrogramm pro Liter Trinkwasser als Grenzwert
der Bleibelastung festgesetzt, worauf die EU 1998 diesen Wert als Ziel
einer 15-jährigen Übergangsfrist nahm. „In Deutschland, wo der
Grenzwert einst 40 Mikrogramm war und jetzt bei 25 liegt, soll dieser
neue Grenzwert 2013 erreicht werden." Wie sich Bleikonzentration im Wasser auf das Blut auswirkt, wurde in
Hamburg erhoben. 200 Frauen, die durch hochbelastetes Trinkwasser an
ihrem Wohnort massiven Bleigehalt im Blut aufwiesen, stellten zu
Versuchszwecken ihre Flüssigkeitszufuhr für fünf Monate von Leitungs-
auf Mineralwasser um, oder sie ließen jeden Morgen fünf Liter Wasser
aus der Leitung abfließen, um somit Bleirückstände zu reduzieren.
„Beide Maßnahmen zeigten Erfolg, wobei die Konzentration bei der
Ablaufmethode um 25 Prozent zurückging, bei Mineralwasser um 33
Prozent. Der Endverbraucher kann somit den Bleigehalt auch im Blut
reduzieren, indem er morgens Wasser fließen lässt", rät der
Umweltmediziner. WANC 15.09.10, Quelle: EFSA, P Grandjean. Even low-dose lead exposure
is hazardous. Lancet 2010; 376: 855 , Archives of Diseases in Childhood
 
 
 
 
 
 
powered by webEdition CMS