Artischocke und Olivenöl
Mediteran Ernährung soll gesund sein - doch das Olivenöl nicht die Ursache dafür
> Olivenöl: Kein Allheilmittel gegen Arteriosklerose

Was soll man eigentlich noch
glauben? Jahrelang wurde uns gepredigt, wie gesund Olivenöl im
Kampf gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist. Doch nun ist das doch
alles ganz anders. Schützende Wirkung hätten allein die
Omega-3-Fettsäuren, wie sie in Fischöl vorkommen. Doch
inzwischen sind wir vorsichtig geworden. Deshalb scheint allein der
Rat zu einer ausbalancierten Zusammensetzung der Ernährung aus
ungesättigten Fettsäuren, die eher in flüssigen
Fetten, und gesättigten Fettsäuren, die eher in festen
Fetten wie Butter zu finden sind, nachvollziehbar.


Arteriosklerose lässt
sich verhindern: Die Pharmaindustrie sagt durch Cholesterinsenker,
die von Ärzten auch gerne verschrieben werden. Aber auch
diätetische Maßnahmen und eine gesunde, fettarme Ernährung
sollen helfen, eine Verkalkung der Arterien zu verhindern. Seit
Jahren predigen Ernährungswissenschaftler die Vorteile
mediterraner Kost. Besonders Olivenöl gilt als
gesundheitsfördernd und kann nach allgemeiner Annahme wirksam
zur Senkung des Cholesterinspiegels und damit der Verhinderung eines
Herzinfarktes beitragen.



Doch Untersuchungen von Prof.
Dr. Susanne Klumpp vom Institut für Pharmazeutische und
Medizinische Chemie der Universität Münster und dem
Marburger Emeritus Prof. Josef Krieglstein stellen diesen Glauben auf
den Kopf. "Zwar lässt sich ein Zusammenhang zwischen
mediterraner Kost und geringerer Herzinfarktrate statistisch
eindeutig nachweisen", so Krieglstein, "doch zu
mediterraner Kost gehören viele verschiedene Komponenten."



Dass es ausgerechnet das
Olivenöl ist, das so gesundheitsfördernd wirkt, sei niemals
nachgewiesen worden. Im Gegenteil: Klumpp und Krieglstein konnten
jetzt zeigen, dass einige einfach ungesättigte Fettsäuren
wie die Ölsäure aus Olivenöl die Aktivität der
Proteinphosphatase Typ 2C (PP2C) massiv steigern und damit das Risiko
von Arteriosklerose und ernsthaften Herz-Kreislauf-Erkrankungen eher
erhöhen.



Proteinphosphatsen regulieren
beispielsweise Enzyme, indem die Seitengruppen eines Proteins über
Phosphatmolekül modifiziert werden, was zu einer Aktivierung
oder zur Signalübermittlung genutzt wird. Sie spielen damit eine
zentrale Rolle in der Zellfunktion. Eine erhöhte Aktivität
von PP2C führt zur sogenannten Apoptose, dem programmierten
Zelltod. Allerdings sind dafür relativ hohe Konzentrationen von
einfach ungesättigten Fettsäuren nötig. Diese kann in
den Zellen, die die Gefäßinnenwand auskleiden, den
sogenannten Endothelzellen, durchaus erreicht werden. Das bedeutet,
dass größere Mengen an Olivenöl entsprechend große
Mengen an Ölsäure freisetzen, die dann zum vermehrten
Untergang von Endothelzellen beitragen.



Die Gefäßwand wird
damit durchlässiger für die Fettpartikel und weißen
Blutkörperchen, die eine Arteriosklerose verursachen, indem sie
sich anlagern und sogenannte arteriosklerotische Plaques bilden. Wenn
diese platzen, erleidet der Mensch einen Herzinfarkt. Olivenöl
könnte so also die Entwicklung einer Arteriosklerose sogar
fördern und nicht - wie allgemein angenommen - eine
Arteriosklerose hemmen.



Die im Labor von Klumpp und
Krieglstein erzielten Ergebnisse sind eindeutig, ungeklärt ist
allerdings noch, wie die Vorgänge in einem intakten Organismus
ablaufen. Deshalb wurden gesunde Meerschweinchen vier Monate lang mit
einer ölsäurereichen Diät gefüttert. Danach
konnte allerdings keine Arteriosklerose nachgewiesen werden. "Das
kann aber auch daran liegen, dass Meerschweinchen grundsätzlich
nur selten Arteriosklerose entwickeln", so Krieglstein.



Allerdings hatten die mit
Oleat gefütterten Meerschweinchen statistisch bedeutend
kleinere und leichtere Herzen als die der normal gefütterten
Kontrollgruppe. Nachgewiesen wurden auch häufiger geschädigte
Herzmuskelzellen. Um ganz sicher zu gehen, dass Ölsäure
auch Herzmuskelzellen und nicht nur die Endothelzellen schädigen
kann, züchtete das Team um Klumpp sie in Zellkultur und
behandelten sie unter definierten Bedingungen mit Ölsäure.
Auch hier zeigte sich eine eindeutige Schädigung von
Herzmuskelzellen. "Die landläufige Meinung, dass Olivenöl
gesund ist, muss wohl revidiert werden", so Krieglstein. "Sicher
muss vor einer endgültigen Aussage die Wirkung von Olivenöl
beim Menschen geprüft werden. Aber schon jetzt darf man
berechtigte Zweifel an den so einseitig gepriesenen Vorteilen von
Olivenöl haben."



Die Wissenschaftler
interessierte in diesem Zusammenhang natürlich auch die Wirkung
mehrfach ungesättigter Fettsäuren. Die
anti-arteriosklerotische Wirkung von sogenannten Omega-3-Fettsäuren,
wie sie in Fischöl vorkommen, ist vielfach nachgewiesen. Deshalb
mussten in den experimentellen Modellen von Klumpp auch mehrfach
ungesättigte Fettsäuren untersucht werden. Auch diese
Fettsäuren konnten die Aktivität der Proteinphosphatase
steigern, allerdings nur in einer Konzentration, wie sie im
menschlichen Organismus nicht erreichbar ist.



In niedrigen Konzentrationen,
wie sie im Körper vorkommen, konnten die Wissenschaftler dagegen
eine schützende Wirkung einer solchen Fettsäure, der
3-Docosahexaensäure, auf Endothelzellen nachweisen. Dagegen
konnte für Ölsäure und andere einfach ungesättigte
Fettsäuren kein derartiger protektiver Effekt bei niedrigen
Konzentrationen festgestellt werden.



Gesättigte
Fettsäuren heben die schädigende Wirkung der einfach
ungesättigten Fettsäuren teilweise wieder auf. Krieglstein
und Klumpp raten zu einer ausbalancierten Zusammensetzung der
Ernährung aus ungesättigten Fettsäuren, die eher in
flüssigen Fetten, und gesättigten Fettsäuren, die eher
in festen Fetten wie Butter zu finden sind.



WANC 24.01.08

 
 
 
 
 
 
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