Ernährung: Keine Zeit zum Essen

Die Deutschen nehmen sich immer
weniger Zeit zum Essen. Weil immer mehr gearbeitet wird, kochen viele
nicht mehr selbst, sondern weichen auf Snacks aus. Und auch das
gemeinsame Essen verliert an Bedeutung. Die Nestlé Studie 2011 belegt,
dass zwar eine  gesunde Ernährung an Bedeutung gewinnt. Doch dass
gesunde Lebensmittel ihren Preis haben, wollen viele nicht einsehen. So
ist für 60 Prozent artgerechte Haltung von Tieren besonders wichtig,
dafür zahlen würden jedoch nur 33 Prozent, beim Verzicht auf Gentechnik
ist das Verhältnis 62 Prozent zu 27 Prozent. Da liegt der Eindruck
nahe, dass gesunde Ernährung für viele doch nur prestigeträchtige Worte
sind.
Eine der wichtigsten Veränderungen des Alltags ist die sukzessive
Entstrukturierung der Tagesabläufe. Seit 2009 ist der Anteil
derjenigen, die ständig oder zumindest teilweise wechselnde
Tagesabläufe haben, weiter gestiegen. Bei den 20- bis 29-Jährigen von
47 Prozent auf 52 Prozent, bei den Berufstätigen von 37 Prozent auf 41
Prozent. Das Berufsleben ist denn auch zentraler Faktor bei der
zunehmenden Entstrukturierung des Alltags: Rund jeder sechste
Berufstätige arbeitet 50 Stunden und mehr in der Woche; 17 Prozent
machen Schichtarbeit; 10 Prozent arbeiten selbständig oder
freiberuflich. Auffallend auch: Lange Arbeitszeiten führen bei Frauen noch mehr als
bei Männern zu einer Entstrukturierung des Tagesablaufs. So berichten
36 Prozent der Männer, aber 43 Prozent der Frauen, die zwischen 40 und
49 Stunden wöchentlich arbeiten, über unregelmäßige Tagesabläufe; noch
größer ist der Unterschied zwischen männlichen und weiblichen
Berufstätigen, wenn die wöchentlichen Arbeitszeiten 50 Stunden
überschreiten, hier geben 64 Prozent der Frauen und nur 52 Prozent der
Männer an, unregelmäßige Tagesabläufe zu haben. Insgesamt beeinflusst die Entstrukturierung der Tagesabläufe das
Ernährungsverhalten der Deutschen erheblich, insbesondere die Struktur
und Frequenz der täglichen Ernährung. Menschen mit wenig regelmäßigem
Tagesablauf essen nur selten zu festgelegten Tageszeiten. Statt des
Hungerbedürfnisses bestimmen freie Zeitfenster, ob und wann gegessen
wird. Von Personen mit einem relativ unregelmäßigen Tagesablauf essen
43 Prozent dann, wenn sich gerade eine Möglichkeit ergibt, 31 Prozent,
wenn sie Hunger haben, und nur 20 Prozent zu festgelegten Tageszeiten. Bei der Sensibilisierung für das Thema Ernährung gibt es indes
eklatante Unterschiede zwischen Männern und Frauen. So geben 56 Prozent
der Frauen an, sich sehr viele oder viele Gedanken über ihre Ernährung
zu machen, bei den Männern sind dies nur 32 Prozent. Die Unregelmäßigkeit der Tagesverläufe hat zur Folge, dass
Hauptmahlzeiten teilweise durch Kleinigkeiten, sprich „Snacks“,
substituiert werden. Dies ist vor allem bei den Jüngeren weit
verbreitet: Mehr als zwei Drittel der unter 30-Jährigen essen zumindest
ab und zu statt einer Hauptmahlzeit eine Kleinigkeit; rund jeder
Sechste ersetzt sogar täglich oder fast täglich eine Hauptmahlzeit
durch eine Kleinigkeit. Vor allem junge Singles und junge Paare ohne
Kinder ersetzen auf diese Weise Hauptmahlzeiten. Insbesondere
Berufstätige sind zudem darauf angewiesen, ihre Ernährung außer Haus so
zu organisieren, dass sie ihren Bedürfnissen entspricht. Während bei den Nichtberufstätigen rund 90 Prozent und mehr ihre
Hauptmahlzeiten – Frühstück, Mittagessen, Abendessen – zu Hause zu sich
nehmen, findet bei zwei Dritteln der Berufstätigen das Mittagessen
außer Haus statt; das Frühstück nehmen meistens oder zumindest
gelegentlich 27 Prozent der Berufstätigen nicht zu Hause ein, von den
Vollzeit-Berufstätigen verpflegen sich 80 Prozent mittags außer Haus.
Entsprechend sieht das Ernährungsverhalten über den Tag verteilt aus. Dabei haben die Möglichkeiten, sich außer Haus zu ernähren, in den
letzten Jahren deutlich zugenommen. Und fast alle Out-of-Home-Angebote
werden von den Jüngeren deutlich häufiger genutzt als von den Älteren.
So essen 52 Prozent der 14 bis 29-Jährigen mindestens einmal im Monat
in einer Bäckerei, aber nur 29 Prozent der 45- bis 59-Jährigen.
Fastfood-Restaurants besuchen 41 Prozent der Jüngeren mindestens einmal
im Monat und nur 7 Prozent der 45- bis 59-Jährigen. Für fast alle Lebensbereiche, auch für die Ernährung, ist die Familie
die wichtigste Sozialisationsinstanz für Kinder; erst danach folgen
Betreuungseinrichtungen, Schule und Freunde. Die vielschichtigen
strukturellen Veränderungen stellen jedoch auch die Familien bei der
Umsetzung einer gesunden Ernährung vor wachsende Herausforderungen. Aus
Sicht der Bevölkerung ist heute eine ungesunde und unregelmäßige
Ernährung eines der Hauptprobleme von Kindern. 68 Prozent der
Deutschen, auch zwei Drittel der Eltern von Kindern unter 18 Jahren,
sind der Auffassung, dass Übergewicht und eine ungesunde, unausgewogene
Ernährung von Kindern heute weit verbreitete Probleme sind. Mit 66 Prozent entsprechend hoch ist deshalb heute der Anteil jener
Eltern mit Kindern unter 16 Jahren, die bei der Erziehung besonderen
Wert auf eine gesunde Lebensweise legen. Besonders deutlich wird hier
ein Trend im Vergleich mit den Erziehungsgewohnheiten der
Vorgeneration: Denn nur bei 33 Prozent der eben genannten legten auch
deren Eltern bereits besonderen Wert auf eine Erziehung zu gesunder
Lebensweise. Allerdings hängt die Einstellung zu einer gesunden Lebensweise und der
entsprechenden Erziehung der Kinder auch vom sozialen Status der Eltern
ab, da dieser – zumindest teilweise – auch die Zugehörigkeit zu einem
bestimmten Ernährungstyp prägt. Denn gerade in den sozial schwächeren
Schichten sind die Ernährungstypen „Maßlose“ und „Leidenschaftslose“
überdurchschnittlich vertreten, und damit jene Ernährungstypen, die
sich weniger Gedanken über gesunde Ernährung machen. In Zahlen schlägt sich dies dann wie folgt nieder: 76 Prozent der
Eltern mit hohem sozioökonomischem Status ist wichtig, ihre Kinder zu
einer gesunden Lebensweise zu erziehen, in der Mittelschicht sind es 62
Prozent, in den Schichten mit niedrigen sozioökonomischen Status 47
Prozent. Die Aussage „Ich achte darauf, dass mein Kind schon früh, z.B.
im Kindergartenalter lernt, sich gesund und ausgewogen zu ernähren“,
bejahen 58 Prozent der Eltern aus höheren Schichten, 53 Prozent der
Mittelschicht und 45 Prozent aus unteren Schichten.   Anders als in anderen europäischen Ländern hat die Wirtschaftskrise in
Deutschland nur in sehr begrenztem Umfang auf den Arbeitsmarkt und
damit auf das Leben der Menschen durchgeschlagen. Entsprechend hat sich
auch das Konsum- und Ausgabeverhalten insgesamt kaum verändert. Die
Entspannung der wirtschaftlichen Lage und vielfache Preisrunden des
Handels tragen dazu bei, dass die ausgeprägte Preisorientierung der
Verbraucher zurückgeht. Der Anteil der Verbraucher, die beim Einkauf
besonders auf niedrige Preise achten, ist seit 2009 von 48 auf 39
Prozent zurückgegangen, der Anteil, dem ein gutes
Preis-Leistungs-Verhältnis besonders wichtig ist, von 66 auf 58
Prozent. Interessant ist dabei, dass sich dieser Trend gerade auch in den
unteren Einkommensgruppen zeigt. So sind nur noch für 54 Prozent der
Verbraucher mit einem monatlichen Haushaltsnettoeinkommen unter 1.500
Euro niedrige Preise beim Lebensmittelkauf sehr wichtig, 2009 traf dies
noch auf 64 Prozent zu. Unterstrichen wird dieser Trend durch die
Tatsache, dass nicht nur die Bedeutung von gutem Essen und Trinken als
Ausdruck von Lebensqualität zunimmt – von 53 Prozent auf 56 Prozent. Auch der Anteil der Bevölkerung, für die eine gute Ernährung im eigenen
Leben eine große oder sehr große Rolle spielt, ist seit 2009 von 63 auf
69 Prozent gestiegen. Insbesondere für Ernährungstypen, die sich nicht
sonderlich um ihre Ernährung kümmern und dieser eher gleichgültig
gegenüberstehen, wie z.B. „Gehetzte“ (plus 11 Prozentpunkte) oder
„Leidenschaftslose“ (plus 10 Prozentpunkte), spielt Ernährung heute
eine größere Rolle als noch vor zwei Jahren Auf der Suche nach gesunden Lebensmitteln liegen regionale Produkte
klar vor Bio-Angeboten. So kaufen 37 Prozent der Bevölkerung regelmäßig
Produkte aus der Region, weitere 44 Prozent zumindest gelegentlich.
Bio-Produkte hingegen werden nur von 13 Prozent regelmäßig und von
weiteren 32 Prozent gelegentlich gekauft. Interessant ist der
Bedeutungsunterschied zwischen regional und Bio für die Verbraucher:
Beim Kauf von Bio-Produkten folgt der Verbraucher eher einem
selbstbezogenen Motiv, wie dass sie gut für die eigene Gesundheit sind.
„Regional“ steht im Gegensatz dazu für den Verbraucher für eine
Bandbreite an Themen wie Frische, Förderung der lokalen Wirtschaft,
kurze Lieferwege und Wissen um die Herkunft der Produkte – und somit
auch für Dimensionen eines nachhaltigen Wirtschaftens. Bei den
Qualitäts- und Gütesiegeln gibt es große Unterschiede in der
Bekanntheit und Akzeptanz. Gleichzeitig wirkt die Vielzahl an Siegeln
wenig aufklärend und verwirrend. Kaum ein Thema hat in den vergangenen zwei Jahren derart an Prominenz
im Lebensmittelbereich gewonnen wie das Thema „Nachhaltigkeit“. Die
Diskussion leidet allerdings nicht zuletzt daran, dass der Begriff für
die Menschen nur eingeschränkt bekannt und wenig konkret ist. Nur rund
zwei Drittel der Bevölkerung haben den Begriff bereits gehört, davon
ist nur gut die Hälfte in der Lage, den Begriff von sich aus sinnvoll
mit Inhalt zu füllen – allerdings auch in der Regel nur auf eine sehr
diffuse Art und Weise. 25 Prozent umschreiben Nachhaltigkeit einfach
mit einer längerfristigen Perspektive und anhaltenden Wirkung, 9
Prozent mit verantwortungsbewusstem Handeln, 6 Prozent mit der
konsequenten Verfolgung von Zielen. Auch den Begriff soziale Verantwortung in Zusammenhang mit
Nahrungsmittelproduktion und Ernährung mit Inhalt zu füllen, fällt der
Bevölkerung schwer. 38 Prozent reagieren auf die Frage ratlos, noch am
ehesten wird der Begriff mit Fairness assoziiert – gegenüber
Lieferanten, Mitarbeitern oder bei der Preisgestaltung. Zudem klaffen im Kontext sozialer Verantwortung Anspruch und
Zahlungsbereitschaft teils weit auseinander: So halten es etwa 66
Prozent der Bevölkerung für wichtig, dass bei der Erzeugung von
Lebensmitteln Kinderarbeit vermieden wird, aber nur 31 Prozent würden
für entsprechende Produkte einen nennenswerten Aufpreis akzeptieren.
Artgerechte Haltung von Tieren ist für 60 Prozent besonders wichtig,
dafür zahlen würden jedoch nur 33 Prozent, beim Verzicht auf Gentechnik
ist das Verhältnis 62 Prozent zu 27 Prozent. Bei den Informationsquellen, die zum Thema Ernährung in Erwägung
gezogen werden, steht nach wie vor der persönliche Meinungsaustausch
mit Verwandten, Freunden und Bekannten an der Spitze, gefolgt von
spezialisierten Printmedien und Fernsehsendungen. Das Internet spielt
hingegen noch eine untergeordnete Rolle. 36 Prozent der Deutschen
würden sich zu bestimmten Lebensmittelthemen bei der Stiftung Warentest
oder Ökotest informieren, 53 Prozent stufen diese Stiftungen
grundsätzlich als vertrauenswürdig ein. 18 Prozent würden auch die
Verbraucherzentralen als Informationsquelle in Erwägung ziehen, 37
Prozent statten sie von vornherein mit einem Vertrauensbonus aus. Nur 8
Prozent der Bevölkerung würden sich in bestimmten Fällen auch bei
Organisationen wie Foodwatch oder Greenpeace informieren, 17 Prozent
stufen sie als vertrauenswürdig ein. WANC 17.01.11, Quelle: Nestlé Studie 2011





Quelle:
http://www.medizinauskunft.de/home/artikel/index.php/index.php/17_01_ernaehrung.php
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