> Plädoyer für die Zulassung der PID

Die Präimplantationsdiagnostik (PID)
ist heftig umstritten. Parteien, Kirchen und Medien legen ihre
Meinungen dar. Doch die Betroffenen kommen kaum zu Wort. Jetzt bricht
die Ethikkommission der Giordano-Bruno-Stiftung eine Lanze für freie
Entscheidung jedes Bürgers. Sie fordert, dass grundsätzlich alle
Menschen, die den beschwerlichen Weg der künstlichen Befruchtung
wählen, die Möglichkeit zur PID  haben sollten. Wenn sie es wollen.
In dem Gutachten, an dem führende deutsche Ethikexperten mitgewirkt
haben, heißt es: "In einem liberalen Gemeinwesen sollten mündige
Bürgerinnen und Bürger tun und lassen dürfen, was sie wollen, solange
es ihnen nicht mit guten Gründen verboten werden kann." Solche "guten,
verallgemeinerungsfähigen Gründe" gebe es weder für ein Verbot der PID
noch für die von einigen Politikern vorgeschlagene Beschränkung der PID
etwa auf Paare, deren erbliche Vorbelastung erwiesen ist. Um dies nachzuweisen, versucht die Kommission die wichtigsten Argumente
zu wiederlegen, die in der politischen Debatte bislang gegen die
Zulässigkeit der PID vorgebracht wurden. So führen die Autoren aus,
dass die Annahme, frühe Embryonen besäßen "Menschenwürde", auf
religiösen Überzeugungen beruhe, die keine Allgemeingültigkeit
beanspruchen könnten. Zwar stehe es jeder Bürgerin und jedem Bürger
frei, Präimplantationsdiagnostik als "Sünde" zu verurteilen, doch
niemand habe das Recht, diese Sichtweise Andersdenkenden aufzuzwingen.
Mit den Grundsätzen einer liberal-pluralistischen Demokratie sei es
nicht vereinbar, "dass der Staat seinen Bürgern eine bestimmte
weltanschaulich gebundene Vorstellung vorschreibt". Daher sollte die
Gesetzgebung so beschaffen sein, dass "die Autonomie der Bürger
maximiert und staatliche Eingriffe minimiert werden". Kritik äußert die Kommission insbesondere an der Überzeugung, dass
aussondernde Präimplantationsdiagnostik dem "Lebensinteresse von
Embryonen" zuwiderlaufe. Denn es sei offensichtlich, dass Embryonen,
die nichts spüren und bei -196 Grad kryokonserviert werden können, kein
subjektives Lebensinteresse besitzen. Auch das häufig vorgebrachte Argument, die Auswahl gesunder Embryonen
laufe auf eine Herabsetzung von Behinderten hinaus, hält die Kommission
für verfehlt: "Die Annahme, dass die Vernichtung befruchteter Eizellen
mit genetischen Defekten zur Diskriminierung von Behinderten führt, ist
ähnlich absurd wie die Forderung nach Abschaffung der Impfung gegen
Kinderlähmung, weil diese eine Diskriminierung von Menschen mit
Kinderlähmung zur Folge haben könnte. Wer eine rationale, humanistische
Sichtweise vertritt, dem sollte klar sein, dass Behinderte und Kranke
unsere volle Unterstützung verdienen, Behinderung und Krankheit jedoch
nicht". Insbesondere im Interesse der Mütter empfiehlt die Kommission, nur die
Embryonen einzupflanzen, die die besten Aussichten auf eine gesunde
Entwicklung haben. Außerhalb Deutschlands würden Mediziner bereits
routinemäßig nach dem Embryo mit den besten Entwicklungschancen
fahnden. Es sei nicht einzusehen, warum eine solche Praxis nicht auch
in Deutschland möglich sein soll: "Wenn sich Eltern gegen einen
genetischen Defekt entscheiden, dann liegt ihr Motiv darin, Belastungen
ihres künftigen Kindes zu vermeiden, ihm optimale Startbedingungen für
das Leben zu schenken und selbst zusätzlichen Mühen zu entgehen. Hieran
ist nichts verwerflich." Angesichts der Möglichkeit, PID in den Nachbarländern durchführen zu
lassen, würden die geplanten Restriktionen nach Ansicht der Kommission
ohnehin nur jene Bürgerinnen und Bürger betreffen, die sich eine PID im
Ausland nicht leisten können. Dies sei sozial ungerecht und auch
rechtspolitisch bedenklich: "Der Gesetzgeber sollte davon absehen, ein
Gesetz zu beschließen, das den Glauben an allgemein verbindliche Normen
untergraben könnte." Die Giordano Bruno Stiftung will den evolutionären Humanismus fördern.
Ihr gehören Wissenschaftler, Philosophen und Künstler an. Die Stiftung
sammelt neuste Erkenntnisse der Geistes-, Sozial- und
Naturwissenschaften, um ihre Bedeutung für das humanistische Anliegen
eines "friedlichen und gleichberechtigten Zusammenlebens der Menschen
im Diesseits" herauszuarbeiten. Ziel der Stiftung ist es, die Grundzüge
eines naturalistischen Weltbildes sowie einer säkularen,
evolutionär-humanistischen Ethik/Politik zu entwickeln und einer
interessierten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. 18.02.2011, Quelle: giordano bruno stiftung (gbs)
 
 
 
 
 
 
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