> Können Kinder unter Fibromyalgie leiden?
Der Begriff Fibromyalgie ist für viele fremd und unverständlich. Ärzte bezeichnen damit eine chronische Schmerzerkrankung des Bewegungssystems, insbesondere bei Erwachsenen. Nun streiten sich Ärzte und Fachleute, ob es den Ganzkörperschmerz auch bei Kindern gibt. Oder genauer, ob er sich Fibromyalgie nennt. Ein Streit um des Kaisers Bart? Ja. Denn den betroffenen Kindern ist es letztlich egal, wie man die Krankheit nennt. Die Hauptsache, es wird ihnen geholfen.

Tatsächlich fällt Ärzten die Antwort auf die Frage, ob Kinder unter Fibromyalgie leiden können, gar nicht so leicht. Außer Frage stehe, dass Kinder unter Schmerzen am ganzen Körper leiden können. Aber handelt es sich dann auch um eine Fibromyalgie, die durch chronische Schmerzen in mehreren Körperregionen und Druckschmerz in sogenannten Tender Points (Druckpunkte, z.B. am Ellenbogen) inklusive Müdigkeit und Erschöpfung gekennzeichnet ist? Die ExpertInnen sagen: „nein, nicht sicher“. Während die Diagnose im Erwachsenenalter gesichert ist, ist dies bei Kindern und Jugendlichen keinesfalls der Fall. Tatsächlich wurde bisher kaum überprüft, ob die Kriterien der Erwachsenen auch für Kinder und Jugendliche gelten, geschweige denn, ob man anhand dieser Kriterien tatsächlich Fibromyalgie bei Kindern sicher diagnostizieren kann. Die ExpertInnen sprechen daher vom „sogenannten juvenilen Fibromyalgie-Syndrom (sogenanntes JFMS)“, sogenannt, weil viele Forscher an die Existenz des Fibromyalgiesyndroms glauben und es so benennen.

Dieser Meinung konnten sich die deutschen Experten nicht anschließen. So meint Prof. Dr. Boris Zernikow, Chefarzt des Deutschen Kinderschmerzzentrums: „Trotz des Streites um den Namen der Krankheit, der eigentlich nebensächlich ist, dass diese Kinder an einem Ganzkörperschmerz leiden und einer spezialisierten Behandlung bedürfen, steht außer Frage“. Deshalb müsse man genau hinschauen, bevor man diagnostiziere. Eine umfassende Diagnostik, die sowohl medizinische als auch psychologische Abklärungen einschließe, sei insbesondere bei Kindern unabdingbar. Andere Erkrankungen wie jugendliche (juvenile) Rheumaerkrankungen müssen ausgeschlossen werden. Psychische Erkrankungen, z.B. kindliche Angststörungen, die bei diesen Kindern sehr häufig zeitgleich bestehen können, müssen in der Therapie berücksichtigt werden.

Erst bei der gesicherten Diagnose einer chronischen Schmerzstörung, werde eine multimodale spezialisierte Therapie empfohlen. Multimodal therapieren – d.h. nicht nur der Arzt behandelt, sondern ein Team aus KinderärztInnen, PhysiotherapeutInnen und Kinder- und JugendpsychotherapeutInnen ist für die Behandlung verantwortlich. Die Kinder lernen im Rahmen der multimodalen Schmerztherapie unter anderem, ihren Schmerz zu verstehen, selbstständig damit umzugehen und sich trotz bestehender Schmerzen zu bewegen.
Laut wissenschaftlichen Studien geht es betroffenen Kindern nach multimodalen Interventionen besser.

wanc 08.06.2012/ Quelle: Universität Witten/Herdecke
 
 
 
 
 
 
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