> ADHS: Therapie ohne Medikamente möglich, oft fehlt aber der Beweis der Wirksamkeit

Die Aufmerksamkeits-/ Hyperaktivitätsstörung (ADHS) wird nicht nur in Deutschland immer häufiger diagnostiziert. Ob das an den Eltern liegt, die auf diese Weise Erziehungsprobleme lösen wollen, oder an den Ärzten, die von der Pharmaindustrie dazu "gedrängt" werden oder ob es einfach ein gesteigertes Bewusstsein für diese Erkrankung ist - das bleibt unklar. Doch viele Eltern wünschen eine medikamentöse Therapie nicht. Es gibt Alternativen, die auch wirken. Doch häufig fehlt der wissenschaftliche Nachweis dafür.

Prof. Dr. Martin Holtmann von der LWL-Universitätsklinik der RUB in Hamm schildert das Dilemma. Zwar gibt es nicht-medikamentöse ADHS-Therapien, doch für die meisten existieren über deren Wirksamkeit keine verlässlichen Daten. Deshalb könne man eigentlich über keine dieser Therapien urteilen, ob sie wirkt oder nicht. Setze man an die vorhandenen Studien sehr hohe Maßstäbe an, so sei die Wirksamkeit nur für zwei Behandlungswege - die auf einer Umstellung der Ernährung beruhen - nachgewiesen.

Das heiße aber nicht, dass die anderen Therapien unwirksam seien, merkt Holtmann an. Der Beleg für dafür sei eben nur nicht wirklich erbracht. Setzt man nämlich die Ansprüche an die Qualität der Studien herunter, dann finden sich durchaus Effekte der jeweiligen Behandlung.

Holtmann hat sechs Therapien untersucht, die ersten drei greifen in die Ernährung ein, die letzten drei stellen psychologische Ansätze dar:  keine künstlichen Lebensmittelfarben, mehr Omega 3-Fettsäuren, eine spezielle Diät, die auf Lebensmittel verzichtet, bei denen der ADHS-Patient Unverträglichkeiten zeigt, kognitives Training, zum Beispiel des Arbeitsgedächtnisses, Verhaltenstherapie und Neurofeedback.

Überprüft wurde, ob die Therapien die ADHS-Kernsymptome – Impulsivität, schlechte Aufmerksamkeit, motorische Unruhe – verbessern könnten. In Studien mit einem niedrigeren wissenschaftlichen Anspruch bewiesen alle sechs Therapien positive Auswirkungen auf die ADHS-Kernsymptome. In wissenschaftlich sehr anspruchsvollen Studien konnten nur die Therapien "ohne künstliche Lebensmittelfarben" und "mehr Omega 3-Fettsäuren" eine Wirkung nachweisen. Allerdings auch nur mit relative kleinen Effekten.

Holtmann sieht die Notwendigkeit, bessere Nachweise zu erbringen. Dabei müssten auch Kriterien wie Lebensqualität und Selbstwertgefühl erfasst werden, um den Sinn einer Therapie vernünftig abschätzen zu können.

Wie schwierig das ist, zeigen auch die Studien zur medikamentösen Behandlung mit Methylphenidat-Präparaten (z.B. Ritalin). Da gibt es Studien, bei denen sich unter Ritalin eine deutliche Besserung der ADHS-Symptome zeigte. Da gibt es aber auch Studien, die enttäuschende Resultate erbrachten und nach einer Behandlung von drei Jahren keine Verbesserung der Symptome nachweisen konnten. Hinzu kommen Beobachtungen, dass Kindern unter der medikamentösen Therapie langsamer wachsen und mehr Gewicht zu legen. Und es gibt Berichte von mit Ritalin behandelten Kindern, die sich wie mit Scheuklappen, fremdgesteuert oder nicht wie sich selbst fühlen.

Berliner Ärzteblatt 05.02.2013/ Quelle: American Journal of Psychiatry
 
 
 
 
 
 
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