Ärzte verschreiben weniger Medikamente gegen ADHS

Früher wurden Kinder, die stets
unruhig waren, als Zappelphilipps abgetan. Doch dann fanden
Wissenschaftler heraus, dass es sich dabei um eine Erkrankung handelt:
die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS). Und
natürlich gab es sofort auch Medikamente gegen diese Störung.
Allerdings wurde schon bald moniert, dass Ärzte diese Pillen gegen das
Zappeln recht häufig verschrieben. Anscheinend nicht immer berechtigt,
oft zu schnell und sehr oft auch mit unschönen Nebenwirkungen. Neuere
Bestimmungen schränken Ausuferungen – manche bezeichnen die massenweise
Verschreibung als Unfug – ein. Und mittlerweile haben Wissenschaftler
auch heraus gefunden, dass ADHS eine genetische Ursache hat.
Immer seltener kommen Medikamente zur Behandlung von
Aufmerksamkeitsstörungen bei Grundschülern zum Einsatz. Im Alter
zwischen sechs und neun Jahren sank die Zahl der Verordnungen binnen
zwei Jahren um 24 Prozent, teilte die DAK auf Basis eigener Daten mit.
Über alle Altersklassen hinweg habe es einen Anstieg von vier Prozent
gegeben. Untersucht wurden bei der DAK die Verordnungsdaten für die
Wirkstoffe Methylphenidat und Atomoxetin der Jahre 2007 bis 2009. „Mediziner und Eltern sind anscheinend zögerlicher geworden, Kinder auf
stimulierende Medikamente einzustellen“, stellt DAK-Apothekerin Dr.
Stefanie Schellhammer fest. „Dazu hat sicherlich auch die zunehmende
Aufklärung über Nebenwirkungen beigetragen.“ Inzwischen habe auch die
beschränkte Zulassung für methylphenidathaltige Arzneimittel Wirkung
gezeigt, die seit Sommer 2009 gilt. Medikamente gegen die Aufmerksamkeitsdefizithyperaktivitätsstörung
(ADHS) – häufig als „Zappelphilipp-Syndrom“ bezeichnet – können
ausschließlich für Kinder und Jugendliche von 6 bis einschließlich 17
Jahren vom Arzt verschrieben werden. Insgesamt wurden bei der DAK im
Jahr 2009 knapp 130.000 Rezepte für ADHS-Medikamente ausgestellt, rund
30.000 davon gingen an die Altersgruppe der 6 bis 9-Jährigen.   Damit dies künftig noch gezielter geschieht, hat der Gemeinsame
Bundesausschuss (G-BA) jetzt weitere Regeln zur Verordnungsfähigkeit
bekannt gegeben. „Der G-BA hat seine Richtlinie in diesem Punkt zum
Schutz von Kindern und Jugendlichen, denen Methylphenidat gegen ADS
oder ADHS verordnet wird, aufgrund des Risikopotentials dieser
Arzneimitteltherapie strenger gefasst. Die Diagnose muss künftig noch
umfassender als bisher gestellt werden, und die Verordnung dieser
Medikamente darf nur noch von Spezialisten für Verhaltensstörungen bei
Kindern und Jugendlichen erfolgen. Zudem muss die Therapie regelmäßig
unterbrochen werden, um ihre Auswirkungen auf das Befinden des Kindes
beurteilen zu können“, sagte Dr. Rainer Hess, unparteiischer
Vorsitzender des G-BA. Allerdings muß das Bundesministerium für
Gesundheit diese Änderungen noch prüfen und akzeptieren. Im Zusammenhang mit ADHS-Medikamenten werden immer wieder
Nebenwirkungen wie Appetitlosigkeit, Wachstumsstörungen und
Herz-Kreislauf-Beschwerden genannt. Über die Langzeitfolgen gibt es
noch keine umfassenden Erkenntnisse. Jungen sind viermal häufiger
betroffen als Mädchen. Gerade diese Risiken haben den G-BA dazu
bewogen, die Nutzung dieser Medikamente weiter einzuschränken. Schon
bisher sah die Arzneimittel-Richtlinie des G-BA vor, dass Stimulantien
wie Methylphenidat nicht verordnungsfähig sind und nur ausnahmsweise
zur Behandlung bestimmter Erkrankungen, wie bei einem
Aufmerksamkeitsdefizit und Hyperaktivität (ADS/ADHS) eingesetzt werden
dürfen. Wissenschaftler der Cardiff University haben jetzt direkte Beweise für
eine genetische Ursache von ADHS gefunden. Bei ADHS sei das Gehirn wie
bei Autismus direkt betroffen. 15 Prozent der ADHS-Gruppe (verglichen
wurden 366 Kinder mit ADHS mit 1.047 gesunden Menschen) über große und
seltene Variationen ihrer DNA verfügten. Bei der Kontrollgruppe konnten
diese Abweichungen nur bei sieben Prozent der Teilnehmer festgestellt
werden. Forschungsleiterin Anita Thapar erklärte, dass die ADHS-Kinder
über eine viel größere Anzahl von DNA-Teilen verfügen, die entweder
doppelt sind oder gänzlich fehlen. Damit sei es erstmals gelungen,
einen direkten genetischen Zusammenhang herzustellen. Die Wissenschaftler haben eine Reihe von möglichen Risikofaktoren wie
die Umwelt berücksichtigt. Dazu gehörten auch die Erziehung oder die
Zeit vor der Geburt. Es gebe jedoch keinen Hinweis auf einen
Zusammenhang. Manche Menschen glaubten, ADHS sei keine richtige
Krankheit oder nur das Ergebnis schlechter Kindererziehung. Mit den
Studienergebnissen sollte auch diese Stigmatisierung wieder zum Thema
werden. Die Forscher betonen, dass nicht ein einzelnes Gen allein für ADHS
verantwortlich ist. Und Kritiker merken an, dass nur 57 der 366
ADHS-Kinder über die genetische Variante verfügten, die die Krankheit
verursachen soll. Das lege nahe, dass andere Faktoren für den Großteil
der Erkrankungen entscheidend sind. Gene könnten deshalb kaum erklären,
warum manche Kinder erkranken und andere nicht. 30.09.10, Quelle: DAK, G-BA, The Lancet





Quelle:
http://www.medizinauskunft.de/home/artikel/index.php/kind/30_09_adhs.php
powered by webEdition CMS