Angst bleibt im Gedächtnis: Ein Hormon könnte bei der schnelleren Überwindung der Furcht helfen (Foto: CFalk/ www.pixelio.de)
Angst bleibt im Gedächtnis: Ein Hormon könnte bei der schnelleren Überwindung der Furcht helfen (Foto: CFalk/ www.pixelio.de)
> Oxytocin: Der Stoff, der die Angst besiegt

Eigentlich hinterlässt Furcht eine dauerhafte Spur im Gehirn. Doch nun haben Wissenschaftler entdeckt, dass ein bestimmtes Hormon mit Namen Oxytocin hemmend auf das Angstzentrum im Gehirn wirkt. Die Folge: Furcht und Angst verschwinden schneller aus dem Gedächtnis.

Prof. Dr. Dr. René Hurlemann von der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Bonn weiß, dass sich große Angst tief in das Gedächtnis eingräbt. Ein Autounfall kann dann dazu führen, dass bereits quietschende Reifen starke Angst hervorrufen können. „Konditionierung“ nennen Wissenschaftler den Vorgang, dass sich bestimmte Bilder oder Geräusche im Gehirn mit den Gefühlen von Schmerz oder Furcht verbinden. Erst mit der Zeit verlieren sich diese Angst, weil das Gedächtnis die negativen Erfahrungen überschreibt. Auch dafür haben Wissenschaftler einen Begriff: „Extinktion“. Hurlemann schränkt aber ein: „Die ursprünglichen Gedächtnisinhalte werden dabei aber nicht ausradiert, sondern nur durch positivere Erfahrungen überlagert.“,

Als Therapie wird Extraktion von Medizinern bei Angststörungen angewendet. „Dies kann aber sehr lange dauern, weil diese Konfrontation mit der Angstsituation häufig erlebt werden muss. Außerdem kann es zu Rückfällen kommen, weil die ursprüngliche Angstspur noch im Gedächtnis verankert ist“, berichtet Hurlemann. Therapeuten suchen deshalb nach einer Möglichkeit, wie schneller und dauerhafter ein „Überschreiben“ des Angstgedächtnisses erfolgen kann.

Dabei kann ihnen vielleicht das Hormon Oxytoxin helfen. Von dem weiß man bisher, dass die Bindung zwischen  Mutter und Kind sowie bei Sexpartnern fördert. Jetzt Psychiater und Psychotherapeuten an der Bonner Uniklinik heraus gefunden, dass Oxytocin nicht die Angst lösen, sondern auch Angsterfahrungen überschreiben kann. „Oxytocin verstärkt tatsächlich die Extinktion: Unter seinem Einfluss klingt die Erwartung eines erneuten Angstereignisses im Verlauf stärker ab als ohne diesen Botenstoff“,  kann sich Hurlemann freuen.

Erforscht wurde das an 62 männlichen, gesunden Probanden mit einer Angsterfahrung. Bei einem Versuch wurde das Zeigen eines Fotos mit der Zufügung eines Schmerzes durch einen sehr kurzen, unangenehmen Elektroschock verbunden. Diese Paarung hatte sich tatsächlich im Gehirn der Probanden verankert. Anschließend wurde der Hälfte der Männer über einen Nasenspray Oxytocin verabreicht, die andere Hälfte erhielt ein Placebo (Scheinmedikament ohne Wirkung). Dann begann die Phase der Extinktion, in der die Testpersonen mehrfach die gleichen Bilder wie zuvor zu sehen bekamen, aber keine Elektroschocks mehr auftraten. Bei den Männern unter Oxytocin-Einfluss war das Angstzentrum im Gehirn insgesamt deutlich weniger aktiv als bei der Kontrollgruppe, furchthemmende Regionen waren hingegen erregter.

Im Zeitverlauf führte der Botenstoff dazu, dass die Angst zunächst etwas größer war, dann aber viel stärker abklang als ohne Oxytocin. Hurlemann bewertet das so: „Oxytocin verstärkt zunächst die bewussten Eindrücke der Probanden und damit die Reaktion auf die Elektroschocks, doch nach wenigen Minuten überwiegt die angstlösende Wirkung.“

Das Ergebnis der Untersuchung könnte sein, dass Oxytocin in Zukunft Angstpatienten schneller gesunden hilft. Doch bis dahin wird es noch einige Zeit dauern, weil erst noch weitere Studien durchgeführt werden müssen .

Berliner Ärzteblatt 15.11.2014/ Quelle: Biological Psychiatry

 
 
 
 
 
 
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