> Internetsucht: Einstiegsdroge
Teenager, die das Internet exzessiv nutzen, greifen auch häufiger zu (anderen) Drogen. In einer Studie zeigte sich, das Internetsüchtige ähnliche Persönlichkeitsprofile zeigen, wie Drogenabhängige. Kontrollverlust und zur Vernachlässigung anderer Bedürfnisse machen die Betroffenen für andere Drogen anscheinend zugänglicher.
 
Soziale Netzwerke, Onlinespiele und auch sexuelle Inhalte im Internet sprechen viele Teenager an. Nicht wenige verbringen einen Großteil ihrer Freizeit vor dem Rechner. Eine Querschnittsstudie unter 14- bis 19-Jährigen ergab, dass 15 Prozent der Teenager das Internet übermäßig nutzen. „Insgesamt fünf Prozent stuften die Experten der Studie als internetabhängig ein“, berichtet der Vorsitzende des Berufsverbandes der Fachärzte für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Deutschlands (BPM), Dr. med. Herbert Menzel, Berlin. Gleichzeitig gaben 13 Prozent der Jugendlichen an, schon einmal Drogen konsumiert zu haben, sieben Prozent hatten sie im Monat vor der Befragung genommen. Bei männlichen Teenagern war dies häufiger der Fall als bei weiblichen. Menzel: „Vor allem Jugendliche, die im Internet Pornos konsumieren, hatten auch Erfahrungen mit Drogen.“
 
Die Internetsucht ist derzeit keine anerkannte psychische Erkrankung. Die Verbindung mit dem Drogenkonsum spricht nach Ansicht von Menzel jedoch dafür, dass es sich um eine Abhängigkeit handelt. „Viele exzessive Internetnutzer zeigten in der Studie ein Persönlichkeitsprofil, wie wir es bei Drogenabhängigen kennen“, fügt Menzel hinzu. Kennzeichnend ist die Kombination aus Nonkonformität, Aggressivität und Impulsivität, das nach der Persönlichkeitstheorie des Psychologen Hans Jürgen Eysenck einen „Psychotizismus“ beschreibt. „Für diese Menschen wird das Internet schnell zu einer Droge“, sagt Menzel: „Die zwanghafte Nutzung führt dann zu einem Kontrollverlust und zur Vernachlässigung anderer Bedürfnisse.“
 
Biochemisch könnte dieser Suchtveranlagung eine Dysfunktion des Botenstoffs Dopamin und des Belohnungssystems im Gehirn zugrunde liegen, vermutet der BMP-Vorsitzende. Anders als beim Drogenkonsum drohen den Jugendlichen zwar keine unmittelbaren körperlichen Gesundheitsrisiken, die Internetabhängigkeit bietet nach Ansicht des BPM aber die Möglichkeit präventiv tätig zu werden. Die Online-Treffpunkte der Jugendlichen – wie Spieleportale, Hacker-Foren und auch die sozialen Netzwerke wie Facebook oder Google plus – könnten genutzt werden, um die Jugendlichen anzusprechen und über die Risiken eines Drogenkonsums zu informieren. Menzel: „Auch Eltern sollten in dem häufigen Internetkonsum ihrer Kinder ein Warnsignal sehen, auch wenn nur eine Minderheit der Internetnutzer tatsächlich später zu Drogen greift.“

wanc 30.03.2012/ Quelle: Journal of Addiction Medicine 2012; 6: 77–84
 
 
 
 
 
 
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