> Burnout: Eine Krankheitsbegriff, der Probleme bringt

Burnout - das Wort hat an Popularität gewonnen. Der ehemalige Skisprungstar Sven Hannawald ist eines der prominenten Opfer dieser noch jungen Erkrankung. Er hat wegen Burnout seine Springerkarriere beendet. Doch mittlerweile beklagen Ärzte, dass dieser Begriff zur modischen Facette geworden ist, der den Blick auf die wahren Probleme vernebelt. Hinter Burnout werden nicht selten Erkrankungen oder auch Zustände versteckt, über die man lieber nicht redet.

Hannawald ist der typische Vertreter der Burnout-Fraktion: jung, erfolgreich, hoher Erfolgsdruck, leistungsbewußt, hohe Anforderungen an sich selbst, auf der Suche nach Perfektion, häufig an Belastungsgrenzen stoßend, immer Angst vor dem Scheitern. Auch bei Hannawald hört sich Burnout besser an als Depressionen.

„Burnout ist sehr oft nur ein besser klingender Name für eine depressive Erkrankung. Unter diesem Label fällt es zwar vielen Betroffenen leichter, sich professionelle Hilfe zu holen, was ein großer Vorteil ist, andererseits kann aber diese „Ausweichdiagnose“ zu einer Unterschätzung der Erkrankung und einer nicht immer richtigen Behandlung führen“, klagt Prof. Dr. Ulrich Hegerl, Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Leipzig. "Problematisch ist, dass durch die Vermengung von Stress, Burnout und anderen Befindlichkeitsstörungen mit der schweren Erkrankung Depression diese verharmlost wird. Der beste Weg für den richtigen Umgang mit der Depression ist, sie bei ihrem Namen zu nennen. Wer Burnout sagt und Depression meint, verhindert oft die richtige Therapie.“

Doch hinter der Bereitschaft vieler Menschen, sich zu Burnout zu bekennen, um ja nicht in die Nähe der Verliererkrankung Depression gerückt zu werden, verstecken sich altbekannte Verdränungsmechanismen. Prof. Dr. Dr. Wolfgang Schneider, Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin an der Universitätsmedizin Rostock, warnt vor der Medikalisierung sozialer Probleme: „Mehr und mehr werden soziale Probleme in scheinbar medizinische umgewandelt. Die Frage heißt: Inwieweit werden soziale Probleme über komplexe gesellschaftliche Mechanismen zu Unrecht oder zu schnell in die Sprache der Medizin übersetzt."

Was Schneider damit meint? Überforderungen, Stress, Angst, Arbeitsüberlastung genauso wie Arbeitslosigkeit, berufliche Schwierigkeiten sind eigentlich keine psychischen Probleme sondern Folgen einer den Einzelnen überfordernden Arbeitswelt. Sie aber in das Reich der psychischen Erkrankungen zu befördern, schützt davor, soziale Missstände und prekäre Arbeitsverhältnisse offen anzusprechen und sich damit auseinanderzusetzen. Unsere Gesellschaft schiebt die Schuld daran, dass jemand nicht mehr richtig "funktioniert" lieber dem Betroffenen zu. Sie behandelt dann lieber kranke Menschen als ihre sozialen Problem zu lösen.

Schneider kritisiert, dass Betroffenen von ihren Ärzten zu widerspruchslos die gewünschte Diagnose Burnout gestellt werde, sie zu schnell mit Medikamenten versorgt und auch krank geschrieben würden. Damit könnten chronische Krankheitsverläufe angestoßen werden, ohne dass man sich den tatsächlichen sozialen Problemen nähere.

Das sieht Hegerl nicht anders. Seiner Erfahrung nach, sagen Patienten bei Ihrem Arzt oder Psychotherapeuten immer öfter, sie hätten Burnout anstelle einer Depression: „Leer und ausgebrannt zu sein und an einem Burnout zu leiden, hört sich nach außen hin besser an und wird auch von der Umgebung und dem Arbeitgeber eher akzeptiert.“ Dabei kann Burnout als Symptom durch den Beginn einer psychischen Erkrankung darstellen. Doch die Vermengung von Stress, Burnout und anderen Befindlichkeitsstörungen mit der schweren Erkrankung Depression verharmlose diese.

Hergerl rät: Bei Burnout solle man langsamer treten, ausspannen, sich erholen, gegebenenfalls Urlaub machen. „Versteckt sich hinter dem Burnout aber eine Depression, wäre es ein großer Fehler so zu handeln. Die Krankheit reist mit und wird im Urlaub oft noch als unerträglicher erlebt. Längerer Schlaf führt bei Menschen mit einer Depression meist eher zu einer Zunahme der depressiven Symptome.“

Berliner Ärzteblatt 01.08.2013/ Quelle: Deutsche Depressionshilfe, Tagung "Modediagnosen in der Psychiatrie", Universitätsmedizin Rostock
 
 
 
 
 
 
powered by webEdition CMS