Weniger Drogentote in Deutschland und Europa

Die gute Nachricht: Die Zahl der Drogentoten sinkt in Deutschland und in den Ländern der europäischen Gemeinschaft. Das stellt der Jahresbericht der EBDD (Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht) fest. Die schlechte Nachricht: Die Beobachtungsstelle berichtet über eine "Besorgnis erregende Zunahme des Konsums anderer Drogen".

"Es gibt Anzeichen dafür, dass bei der Bekämpfung einiger der schädlichsten Auswirkungen des Drogenkonsums Fortschritte erzielt wurden", erklärte EBDD-Direktor Georges Estievenart. "Nach einem langjährigen Anstieg der drogenbedingten Todesfälle können wir nunmehr eine rückläufige Tendenz beobachten. Der Heroinkonsum hat sich in vielen Ländern stabilisiert, und die HIV-Epidemie unter injizierenden Drogenkonsumenten scheint sich in einigen neuen EU-Mitgliedstaaten weniger schnell auszubreiten als in der Vergangenheit. Gleichzeitig werden verstärkt Maßnahmen zur Reduzierung drogenbedingter Schäden ergriffen, und in vielen Ländern Europas hat sich der Zugang der Drogenkonsumenten zu Behandlung und Betreuung verbessert."

Die Zahl der drogenbedingten Todesfälle ist in der EU von 8 838 im Jahr 2000 auf 8 306 im Jahr 2001 gesunken, was einen Rückgang von 6% darstellt. In Deutschland ist die Zahl auf 1.513 im Jahr 2003 zurück gegangen, nach 1.835 (2001) und 2.030 (2000). Freut sich die Parlamentarische Staatssekretärin und Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marion Caspers-Merk: „Der Rückgang der Todesfälle infolge des Konsums illegaler Drogen in Europa ist erfreulich. In Deutschland war im letzten Jahr die Zahl der Drogentoten auf dem niedrigsten Stand seit 1989."

Von Entwarnung kann dennoch nicht die Rede sein.
"Jedoch besteht die Gefahr", so Estievenart , "dass einige dieser positiven Tendenzen nur von kurzer Dauer sind. Die Möglichkeit, dass insbesondere in einigen neuen EU-Mitgliedstaaten Drogenepidemien auftreten, gibt Anlass zu ernster Besorgnis. Wir sollten auch nicht vergessen, dass sich der Drogenkonsum im Allgemeinen nach wie vor auf einem – historisch gesehen – hohen Niveau bewegt. Viele Länder berichten von einem Anstieg des Kokainkonsums, und in bestimmten Teilen Europas konsumieren immer mehr Menschen Cannabis und Ecstasy, obwohl hier das Bild nicht ganz so einheitlich ist".



Immer mehr Europäer begeben sich aufgrund von Kokainproblemen in Behandlung, heißt es in dem  Bericht. Umfragen aus EU-Ländern zufolge haben zwischen 1 und 10% der jungen Europäer (15–34 Jahre) schon einmal Kokain genommen, wobei die Hälfte von ihnen angibt, Kokain in jüngster Vergangenheit konsumiert zu haben. Obwohl Todesfälle, die ausschließlich auf Kokain zurückzuführen sind, in Europa nach wie vor selten auftreten, nehmen sie möglicherweise zu.

Nach wie vor ist Cannabis die am häufigsten konsumierte illegale Droge in der EU: ungefähr einer von fünf Erwachsenen (20%) hat wenigstens einmal im Leben Cannabis probiert. Im Allgemeinen sind die Prävalenzraten für Cannabis unter jungen Erwachsenen (15–34 Jahre) am höchsten. Sie reichen von weniger als 15% in Estland, Portugal und Schweden bis zu 35% und mehr in Dänemark, Spanien, Frankreich und im Vereinigten Königreich. Laut Umfragen haben etwa 5 bis 20% der jungen Europäer diese Droge während der letzten 12 Monate konsumiert.


Die meisten Menschen, die Cannabis konsumieren, tun dies gelegentlich oder für eine begrenzte Zeitdauer. Aus dem heute veröffentlichten Bericht geht jedoch hervor, dass in der EU ca. 15% der 15- bis 16-jährigen Schüler, die Cannabis im vergangenen Jahr zu sich genommen haben, "starke" Cannabiskonsumenten sind, das heißt, die Droge mindestens 40-mal im Jahr konsumieren. Männliche Schüler sind zweimal häufiger als Mädchen "starke Konsumenten".


Den veröffentlichten Daten zufolge ist Ecstasy in einigen Ländern – in Tschechien, Deutschland, Irland, in den Niederlanden, in Portugal und im Vereinigten Königreich – auf dem Vormarsch und kann Amphetamine als Europas Droge Nummer 2 nach Cannabis ablösen. Insgesamt ist ersichtlich, dass EU-weit der Konsum von Ecstasy tendenziell weiterhin zunimmt, während sich der jüngste Amphetaminkonsum in den meisten Ländern uneinheitlich entwickelt.


Zwischen 0,5 und 7% der Erwachsenen (15–64 Jahre) haben Ecstasy schon einmal probiert. Etwa zwei Drittel der EU-Mitgliedstaaten berichten, dass der jüngste Konsum von Ecstasy unter jungen Erwachsenen im Alter von 15 bis 34 Jahren höher ist als der von Amphetaminen.

Todesfälle im Zusammenhang mit Ecstasy sind in den meisten EU-Ländern relativ selten. Noch seltener sind Todesfälle, die direkt auf diese Droge zurückzuführen sind. Im Jahr 2002 berichtete Deutschland von acht Todesfällen, die direkt auf Ecstasy zurückzuführen waren.


Der Heroinkonsum ist inzwischen in vielen EU-Ländern relativ konstant, und die Zahl der neuen Konsumenten ist seit den 90er Jahren zurückgegangen. Dies muss jedoch nicht unbedingt auch auf die neuen EU-Länder zutreffen, für die nur begrenzt Daten vorliegen. EU-weit gibt weniger als die Hälfte der neu in eine Therapie aufgenommenen Opiatkonsumenten an, die Droge zu injizieren, während die Zahl der injizierenden Heroinkonsumenten in Spanien, in den Niederlanden und in Portugal relativ niedrig zu sein scheint. In Tschechien, Slowenien und Finnland wird injizierender Drogenkonsum jedoch häufiger angegeben, und in Deutschland, Irland, Finnland und in den neuen EU-Mitgliedstaaten lassen die verfügbaren Daten darauf schließen, dass diese Art des Drogenkonsums weiter zunimmt. Laut Schätzungen der Beobachtungsstelle gibt es EU-weit gegenwärtig 850 000 bis 1,3 Millionen injizierende Drogenkonsumenten.


Vereinzelte Berichte über den Handel mit Fentanyl, einem synthetischen Opiat, das eine bis zu 100-mal stärkere Wirkung als Heroin hat, rufen in Europa Besorgnis hervor. "Eine deutliche Zunahme von Fentanyl auf dem europäischen Drogenmarkt wäre Anlass zu großer Sorge, da es ein hohes Risikopotenzial hat", heißt es im Bericht.



WANC 26.11.04





Quelle:
http://www.medizinauskunft.de/home/artikel/index.php/index.php/26_11_drogenbericht.php
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