> Häufig unerkannt: Hormonstörungen nach Schädel-Hirn-Trauma

Nach Unfällen mit Hirnverletzungen wie beispielsweise einem Schädel-Hirn-Trauma kommt es häufig auch zu einer Schädigung der Hirnanhangdrüse. Die Folge sind komplexe Störungen des Hormonhaushaltes, die Ärzte relativ leicht übersehen könnten. Davor warnt jetzt die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE).

Eine aktuelle Studie leitet derzeit Professor Dr. med. Günter Stalla vom Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München. "Bisher ging man davon aus, dass eine Schädigung des Hypophysen-Vorderlappens, die so genannte HVL-Insuffizienz, eine seltene Komplikation des Schädel-Hirn-Traumas ist", erklärt Professor Stalla. Die Hypophyse ist aufgrund ihrer Lage besonders verletzungsgefährdet. Sie liegt im Bereich der Schädelbasis und ist mit dem Zwischenhirn durch einen dünnen 14 Millimeter langen Stiel verbunden. Autopsien von Patienten, die an einem Schädel-Hirn-Trauma verstorben sind, zeigen in bis zu 86 Prozent der Fälle Schäden an der Hypophyse.


Doch erst neuere Untersuchungen konnten zeigen, dass diese Beschädigungen häufig eine HVL-Insuffizienz zur Folge haben. Professor Stalla erläutert, dass bei mindestens 30 Prozent der Patienten eine Hormonstörung nachgewiesen werden könnte, wenn die Ärzte danach suchen würden. Auf Deutschland bezogen sind dies bis zu 80000 Fälle im Jahr - von denen die meisten bisher unerkannt bleiben.


Die so genannte Hypophyse - genauer gesagt der Hypophysen-Vorderlappen (HVL) - ist die wichtigste Hormondrüse des Körpers. Denn die Hormone dieser Hirnanhangdrüse steuern andere Hormondrüsen wie die Nebennierenrinde oder die Schilddrüse. Sie beeinflusst auch die Funktion der Fortpflanzungsorgane. Außerdem bildet die Drüse Wachstumshormone.


Störungen der Hypophyse sind schwer zu erkennen, weil die Beschwerden sich langsam entwickeln und häufig unspezifisch sind. So kann ein Mangel an Wachstumshormonen beim Erwachsenen zum Leistungsabfall und zu Konzentrationsstörungen führen. Eine Störung der Schilddrüse kann Depressionen, Müdigkeit und Lethargie zur Folge haben. Der Ausfall verschiedener Sexualhormone äußert sich manchmal nur in einem Verlust der Achsel- und Schambehaarung. Andererseits kann ein völliger Ausfall der Kortisonbildung in der Nebennierenrinde für den Patienten lebensbedrohlich sein.


Die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie fordert deshalb alle Ärzte auf, die Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma behandeln, einen breit angelegten Hormonstatus zu erheben. Das ist auch lange Zeit nach dem Unfall noch wichtig. Denn die HVL-Insuffizienz macht sich manchmal erst drei bis zwölf Monate später bemerkbar.


WANC 08.07.04/idw

 
 
 
 
 
 
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