Verbesserte Therapie von Borderline-Patienten

Vernachlässigung und Gewalterfahrung in der Kindheit gehören zu den wichtigsten Ursachen der Borderline-Persönlichkeitsstörungen (BPS). Diese zeichnen sich unter anderem durch eine instabile Gefühlswelt und selbstschädigendes Verhalten aus.

Andreas Remmel vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) an der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie an der Universität Heidelberg hat zwei Jahre lang an einer Studie über BPS gearbeitet. "Viele Patienten mit BPS haben während oder seit ihrer Kindheit Ablehnung, Vernachlässigung oder Gewalt durch wichtige Bezugspersonen erlebt und eine Störung ihrer Emotionsverarbeitung entwickelt", so der Experte.


Patienten mit Borderline-Störung pflegen häufig exzessive, aber sehr instabile Beziehungen und zeigen selbstschädigendes Verhalten wie etwa bei Geldausgaben, riskanten sportlichen Aktivitäten oder bei der Sexualität. Häufig sind Alkohol- und Drogenmissbrauch, rücksichtsloses Fahren, "Fressanfälle", wiederholte Selbstmordversuche und massive Selbstverletzungen. "Die Krankheit zeichnet sich durch ein tiefgreifendes Muster von Instabilität in zwischenmenschlichen Beziehungen, im Selbstbild des Patienten, in seinem Umgang mit Gefühlen und durch eine hohe Impulsivität aus", so Remmel. Die Patienten erleben ein chronisches Gefühl von Leere und unangemessene, heftige Wut.


Viele Borderline-Patienten leiden auch unter ausgeprägten Essstörungen wie etwa Bulimie. 75 Prozent der Betroffenen sind in Behandlung. Um die Störungen besser behandeln zu können, gingen die Forscher einigen der Ursachen auf den Grund. Dazu wurde ein spezielles Interviewverfahren mit Videoaufzeichnungen entwickelt.


Die Studien-Ergebnisse waren höchst aufschlussreich: Patienten mit einer Borderline-Störung berichten über unsichere Bindungserfahrungen in ihrer Kindheit. Nahe Bezugspersonen, meist Mütter oder Väter, wurden fast durchgängig als sehr ambivalent geschildert. Die Patienten erlebten wenig Aufmerksamkeit und Feinfühligkeit, ihre Bedürfnisse und Gefühle wurden wenig beachtet und sehr unterschiedlich beantwortet.


"Die Patienten konnten sich nicht auf ihre Bezugspersonen und deren Reaktionen verlassen", erklärt Remmel. Die Patienten entwickelten häufig ein ausgeprägtes "Schwarz-Weiß-Denken" und eine wenig differenzierte Sicht anderer Menschen und Sachverhalte. Eine Teilgruppe zeigte auch festgelegte Negativmuster in der Wahrnehmung und Bewertung anderer Menschen.


Gegen ihren eigenen Körper entwickelten viele Patienten schon früh einen ausgeprägten Selbsthass, vielfach als Umkehr erlebter Kränkungen oder Vernachlässigungen. Der eigene Körper wird damit zum gehassten Objekt. Selbstverletzungen erfüllen eine dreifache Funktion: Sie lösen Spannungszustände oder richten sich gegen den gehassten Körper, bei manchen Patienten sorgen sie aber auch für einen euphorischen "Kick", der die Gefühlsleere ausgleicht.


Patientinnen mit Magersucht scheinen andere Bindungserfahrungen gemacht zu haben. Im Gegensatz zu Patienten mit Ess-/Brechsucht und Borderline-Störung hatten ihre Bezugspersonen meist gar nicht auf ihre Bedürfnisse reagiert. Daher hatten sie Strategien entwickelt, eigene Wünsche, Bedürfnisse und Gefühle eher zu unterdrücken und zeigten fast alle eine hohe Leistungsorientierung, mit meist zwanghaftem Denken und perfektionistischen Zügen.


Aufgrund dieser Erkenntnisse entwickelten die Experten bewährte Therapieverfahren weiter. Im Rahmen der so genannten dialektisch-behavioralen Therapie lernen Patienten, ihre Gefühle besser wahrzunehmen, zu differenzieren und Spannungen auf andere Art und Weise abzubauen, mit anderen klarer zu kommunizieren und Stress besser zu tolerieren. Nach etwa drei Monaten stationärer Therapie war die Häufigkeit von Selbstverletzungen und zwischenmenschlichen Problemen deutlich verringert.


WANC 07.04.04/pte





Quelle:
http://www.medizinauskunft.de/home/artikel/index.php/index.php/07_04_borderline.php
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