Warum Kaffee Angst machen kann

Die meisten Menschen trinken gerne
Kaffee. Aber nicht alle vertragen ihn. Bei manchen kann das Koffein
sogar Angstsymptome auslösen. Verantwortlich dafür ist eine kleine
Variante im Erbgut. Ihre Wirkung kann durch regelmäßigen Kaffeegenuss
jedoch abgemildert werden. Würzburger Wissenschaftler haben
herausgefunden, dass das Ausmaß der Ängstlichkeit auch von der
Regelmäßigkeit des Kaffeegenusses abhängt.
Die Deutschen mögen Kaffee. 1,3 Milliarden Tassen haben sie nach
Angaben des Deutschen Kaffeeverbands im vergangenen Jahr getrunken.
Oder anders ausgedrückt: Im Durchschnitt hat sich jeder Deutsche 150
Liter Kaffee übers Jahr verteilt schmecken lassen. Was Getränke wie
Kaffee und Tee, aber auch Cola und Kakao weltweit so beliebt macht, ist
vor allem ihre anregende Wirkung. Die macht anderen Menschen allerdings
zu schaffen: Sie verspüren nach dem Genuss von koffeinhaltigen
Getränken Herzrasen, Schweißausbrüche, Unruhezustände und
Einschlafstörungen; viele von ihnen erleben auch eine unbestimmte
Angst. Gerade Patienten, die an einer Angsterkrankungen leiden, trinken
deswegen häufig keinen Kaffee mehr oder reduzieren den Konsum. 

 Veränderungen im Erbgut sind dafür verantwortlich, dass manche Menschen
mit Angst auf eine Tasse Kaffee oder Tee reagieren. „Wir konnten
zeigen, dass eine Variante im Gen des Adenosin-A2A-Rezeptors eine
wichtige Rolle in diesem Prozess spielt“, sagt der Psychiater Prof. Dr.
Jürgen Deckert, der die Studie geleitet hat. Normalerweise dockt der
Botenstoff Adenosin in bestimmten Bereichen des Gehirns an diesen
Rezeptor an und löst damit eine beruhigende Reaktion aus. Ist das
Rezeptor-Gen jedoch verändert, kann Koffein das Adenosin verdrängen und
somit dessen beruhigende Wirkung verhindern. 

 Dafür müssen die Betroffenen das veränderte Gen allerdings sowohl auf
dem väterlichen als auch auf dem mütterlichen Chromosom tragen. „Wir
haben in einer Untersuchung an freiwilligen Probanden in Kooperation
mit der Arbeitsgruppe von Harriet de Wit von der Universität Chicago
festgestellt, dass nur die Probanden, die auf dem langen Arm beider
Chromosomen 22 jeweils die gleiche Genvarianten besaßen, auf eine
mittlere Dosis von Koffein mit Angst reagierten“, sagt Deckert. Dieser
Effekt war – genauso wie die anregende Wirkung von Koffein –
vorübergehend; mit der Zeit ließ er nach und war nach einigen Stunden
komplett abgeklungen.

 Die Angstreaktion trat allerdings nur dann auf, wenn die
Versuchspersonen eine mittlere Dosis von Koffein zu sich nahmen –
nämlich 150 Milligramm, das entspricht in etwa zwei Tassen Kaffee. Bei
einer niedrigeren Dosis (50 Milligramm) reagierte keine der
Versuchspersonen mit Angst, bei einer hohen Dosis (400 Milligramm)
hingegen zeigten alle Versuchspersonen eine erhöhte Ängstlichkeit. Die
genetische Variation ist also nur im mittleren Dosisbereich für die
Entwicklung von Angst relevant. 
 Wer einmal mit Angst auf Kaffee reagiert, muss dies aber nicht sein
Leben lang tun. Bei Menschen, die regelmäßig eine mittlere oder hohe
Dosis Koffein zu sich nahmen, ist der Geneffekt schwächer. Mit anderen
Worten: „Wahrscheinlich kann sich die anlagebedingte Unverträglichkeit
bei schrittweiser Steigerung der Dosis und regelmäßigem Konsum
zurückbilden“, sagt der Mediziner. Dieselbe genetische Variante, die zu einer erhöhten Ängstlichkeit nach
dem Genuss von Koffein führt, konnten die Forscher bereits vor einigen
Jahren als genetische Risikovariante für Angsterkrankungen
identifizieren. Alleine kann sie jedoch wohl nicht die Ursache einer
Angsterkrankung sein. „Hier braucht es sicher zusätzlich Umweltfaktoren
wie beispielsweise den Genuss von Koffein oder traumatische
Lebensereignisse“, so Deckert. 

 WANC 06.08.10, Quelle: Association of the Anxiogenic and Alerting
Effects of Caffeine with ADORA2A and ADORA1 Polymorphisms and Habitual
Level of Caffeine Consumption”, Peter J Rogers, Christa Hohoff, Susan V
Heatherley, Emma L Mullings, Peter J Maxfield, Richard P Evershed,
Jürgen Deckert and David J Nutt. Neuropsychopharmacology (2010) 35,
1973–1983, doi:10.1038/npp.2010.71





Quelle:
http://www.medizinauskunft.de/home/artikel/index.php/index.php/06_08_kaffee.php
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