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Neuverdrahtung und Neuorganisation im Gehirn nach Schäden
> Gehirn: Kann sich selbst reparieren

Das Gehirn besitzt die Fähigkeit, sich selbst zu
reparieren. Dabei reorganisiert es sich neu und ersetzt zerstörte Verbindungen
zwischen den Zellen durch neue. Der Vorgang kann bis zu einem Jahr dauern und
erreicht eine Wiederherstellungsquote von 10 bis 100 Prozent.


Wie sich das Gehirn nach einer Verletzung neu verdrahtet
untersuchten Forscher der Ruhr-Universität Bochum in einer Langzeitstudie. Ihre
Ergebnisse bieten Daten zur Plastizität des erwachsenen Gehirns, insbesondere
über den Zeitverlauf, das Ausmaß und Grenzen der Reorganisation des Gehirns.
„Die Ergebnisse sind wichtig, um bestimmte Zeitfenster in der Rehabilitation
von Hirnarealen zu nutzen und durch Übung wieder aufzubauen", erklärt Ulf
Eysel, Professor für Neurophysiologie an der Medizinischen Fakultät der
Ruhr-Universität Bochum.



Die Forscher haben die Aktivitäten einzelner Nervenzellen der Sehrinde
erwachsener Katzen gemessen. Sie stellten fest, dass nach der Schädigung der
Netzhaut eine weitreichende Umorganisation der Sehrinde innerhalb von Wochen
bis zu einem Jahr erfolgte. Die erblindeten Gehirnbereiche wurden wieder
aktiviert und die Zuordnung von Auge und Gehirn erfolgte neu. Diese
Neu-Verdrahtung wandert ähnlich einer Welle langsam über Wochen vom gesunden
Randbereich immer weiter in die 'erblindete' Gehirnregion.



Nach der Neuverdrahtung normalisieren sich die Zellen und die großen Reizareale
erhalten wieder ihre normale Größe und gewinnen ihre Analyseleistungen
teilweise zurück. Es könne zwar einiges kompensiert werden, aber es sei nicht
alles möglich zu reparieren, erläutert Eysel. Die Zahl der an der
Neuverdrahtung beteiligten Zellen im geschädigten Gebiet liegt je nach
Entfernung vom gesunden Randbereich zwischen zehn und fast 100 Prozent.



Neben den neuen Erkenntnissen über den Zeitverlauf und das Verhalten der Zellen
während der Neu-Verdrahtung ist die Entdeckung einer späten Komponente im
Reorganisationsprozess, die erst zwischen drei Monaten und fast einem Jahr
abläuft, für die Forscher hochinteressant. Dadurch wird belegt, dass zusätzlich
zur Frührehabilitation eine weitere Verbesserung und Stabilisierung in späteren
Phasen nach einer Schädigung des Gehirns erfolgt.



“Frühkindliche und jugendliche Gehirne sind sehr flexibel und besitzen die
Fähigkeit zur leichteren Anpassung. Nach Verletzungen und bei Erkrankungen des
Nervensystems ist die Kapazität für eine Rehabilitation durch eine
Reorganisation dann vergleichsweise groß. Neuerdings sind das Ausmaß der
Plastizität des erwachsenen Gehirns und seine Fähigkeiten zur Reorganisation
wieder umstritten. Die Forschungsergebnisse bieten auch wichtige Erkenntnisse
zur möglichen Bereitschaft des Gehirns sich mit Hilfe einer Therapie zu
reparieren“, so Eysel.



WANC 05.07.06/pte

 
 
 
 
 
 
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