Stress: Kostet vor allem Männern das Leben

Frauen leben länger als Männer. Warum? Männer können anscheinend mit Stress weniger gut umgehen als Frauen. Die Sterblichkeit durch psychische und stressbedingte Erkrankungen in Europa ist überwiegend eine männliche.


In vielen Gesellschaften dieser Welt vollzieht sich derzeit eine umgreifende Veränderung der Geschlechterrolle – häufig mit dem englischen Begriff des Gender-Main-Stream bezeichnet. Dabei zeichnet sich ab, dass der Mann besonders stark den Belastungen durch Stressfaktoren und gesellschaftlichen Veränderungen ausgesetzt ist. Der zunehmende Abstand der Lebenserwartung von Mann und Frau, in fast allen Industrienationen zu beobachten, scheint ein zuverlässiger Indikator für wachsende Stressbelastung einer Gesellschaft zu sein, da Frauen in Zeiten der Veränderung geschützter zu sein scheinen.


Möglicherweise spielt auch das Körpergewicht eine Rolle nach dem Motto "Frauen reden über Diäten – Männer sind dick". Die stressbedingte Morbidität und Mortalität des Mannes spiegelt nahezu seismographisch die Drucklast einer Gesellschaft wider: Die Sterblichkeit durch psychische und stressbedingte Erkrankungen in Europa ist überwiegend eine männliche.


Demzufolge betrachtet die Europäische Kommission psychisch bedingte Erkrankungen als "Europas unentdeckte Killer". Anscheinend haben Männer hauptsächlich Schwierigkeiten, mit den Anforderungen der heutigen "modernen" Gesellschaft fertig zu werden. Es gibt Anzeichen dafür, dass gesellschaftliche und individuelle Statusverluste, die durch den Verlust der Arbeit und der Rolle als Ernährer verursacht sind, Männern schwerer zusetzen.


Nicht viel anders ist es zu Beginn des Ruhestandes. Hinzu kommt, dass Männer tatsächlich gleich häufig depressiv sind wie Frauen. Dies wird jedoch oft durch Alkoholismus, Drogenabhängigkeit oder Störungen der Impulskontrolle verdeckt. Frauen dagegen haben die protektive Fähigkeit, während Krisen- und Übergangszeiten soziale Netzwerke aufrecht zu erhalten und neue Lebensinhalte zu schaffen.


In den letzten fünf Jahren hat sich bei weiter deutlich steigender Lebenserwartung beider Geschlechter die Schere zwischen männlicher und weiblicher Lebenserwartung wieder tendenziell verkleinert. Allerdings muss eine höhere Lebenserwartung bei Frauen keineswegs mit einer höheren Lebensqualität einhergehen. Einige Untersuchungen deuten darauf hin, dass aktivitätsorientierte männliche Rollenmuster zu einer höheren Zufriedenheit und subjektiv höheren Lebensqualität führen. Der Preis dafür wäre dann – salopp formuliert – eine geringere Lebenserwartung.


Die Mortalität des Mannes steht oft in starkem Maße mit Gewalttätigkeit, Suizid, Risikoverhalten, Unfällen sowie höherer Rate an Krebsfällen und stressbedingten Zuständen mit Durchblutungsstörungen des Herzens und des Gehirns in Zusammenhang. Entscheidend ist, gesellschaftliche Wandlungsprozesse zu fördern, die Gesundheit und gesundheitsbewusstes Verhalten bei Männern positiv mit sozialem Status und Karriere verknüpft. Männlichkeit würde sich dann in einem höheren Gesundheitsbewusstsein äußern, um zum Beispiel das Ziel "sozialer Aufstieg" zu erreichen. Erste Ansätze lassen sich zweifellos in der Generation der dreißig- bis sechzigjährigen Männer erkennen.


WANC 17.12.07
Quelle: W. Rutz, T. Klotz: Gesundheitsverhalten bei Männern – kaum eine Besserung in Sicht. Psychiatrische Praxis; 2007; 34 (8): S. 367-369





Quelle:
http://www.medizinauskunft.de/home/artikel/index.php/index.php/17_12_maennerstress.php
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