Älterer Mann
Männliche Wechseljahre: Es ist umstritten, ob sie überhaupt existieren
> Kommen auch Männer in die Wechseljahre?
Da streiten selbst die medizinischen
Gelehrten: Kann auch der Mann in die Wechseljahre kommen? Oder ist
diese „Krankheit“ den Frauen vorbehalten? Tatsache ist, dass sich
mit zunehmendem Alter auch beim Mann der Hormonhaushalt ändert.
Doch manche Männer kommen damit besser zurecht als andere. Das
Versprechen ewiger Jugend, das einige Hormonpräparate
suggerieren, lässt viele hoffen, die Uhr zurückdrehen zu
können.


Für die einen sind die "männlichen
Wechseljahre" eine der wichtigsten medizinischen Entdeckungen
der vergangenen zehn Jahre. Für die anderen sind sie nichts
weiter als eine Erfindung der Pharmaindustrie, die blendende
Geschäfte verspricht. Der Medizinhistoriker Dr. Hans-Georg Hofer
von der Universität Bonn hat die Wurzeln der seit langem
kontrovers geführten Diskussion untersucht.



Die Frage, ob auch der Mann ein
Klimakterium durchläuft, ist keineswegs neu, sondern sorgte
schon Anfang des 20. Jahrhunderts für Auseinandersetzungen.
Dass die Debatte gerade jetzt wieder so lautstark geführt wird,
sei allerdings kein Zeichen, dass Männer heute eher zu ihrem
Alter stehen: Die Pharmabranche verkaufe die Hormontherapie als eine
Art Jungbrunnen, mit dem Mann die Zeit einfach zurückdrehen
könne.



Wer die Diskussion verfolgt, die seit
Mitte der 1990er Jahre um die "männlichen Wechseljahre"
entbrannt ist, könnte meinen, er leide unter einem Déjà-vu:
Schon 1910 schrieb der Berliner Nervenarzt Kurt Mendel einen Aufsatz
über das "Climacterium virile", das er allerdings als
"Nervenleiden" ansah. In den Jahren danach machten viele
Forscher die von den Keimdrüsen erzeugten "inneren Sekrete"
als Übeltäter aus, die im Alter nicht mehr reichhaltig
genug gebildet würden. "Ein Mann ist so alt wie seine
Keimdrüsen", spitzte der Wiener Physiologe Eugen Steinach
diese Meinung zu. Der Mann als Marionette seiner Hormone - diese rein
mechanistische Denkweise findet sich auch in der aktuellen Debatte.



"Allerdings gab es schon damals an
der Idee der 'männlichen Wechseljahre' viel Kritik", betont
Hofer. "So fehlte es manchen Ärzten an einer trennscharfen
Definition des angeblichen Krankheitsbildes - auch das ein
Kritikpunkt, der heute noch häufig vorgetragen wird." Zudem
suggerierte der Begriff "Klimakterium", die
Alterungsprozesse des Mannes ähnelten stark denen der Frau -
eine Parallele, die vielen Kritikern zu weit ging.



Dessen ungeachtet brachte die
Gesellschaft für chemische Industrie in Basel (CIBA) 1931 mit
Androstin ein Antiklimakterium-Präparat für den Mann auf
den Markt; Schering folgte 1932 mit Proviron. "Sonderlich
erfolgreich waren beide Medikamente nicht, ebenso wenig wie die
ersten künstlichen Testosteron-Präparate, die Ende der
1930er Jahre herauskamen", sagt Hofer. Zu wenig vertrug
sich das Bild vom starken Geschlecht mit der Idee der Wechseljahre.
Die Nationalsozialisten hätten das Klimakterium am liebsten
sogar noch bei der Frau abgeschafft - sie taten die
Stimmungsschwankungen und anderen Beschwerden als bloßes
Zeichen von Willensschwäche ab.



Dass das Thema seit gut zehn Jahren
wieder Konjunktur hat, hängt nach Hofers Meinung sicher auch mit
den Bestrebungen der Pharmabranche zusammen, sich neue Märkte zu
erschließen: "Viagra hat demonstriert, wie viel Geld sich
mit der Zielgruppe der alternden Männer verdienen lässt."
Vertriebswege wie das Internet hätten zudem völlig neue
Möglichkeiten geschaffen, diese Zielgruppe auch zu erreichen.



Hofer registriert zudem in den
vergangenen Jahren ein zunehmendes Medieninteresse an
männerspezifischen Gesundheitsproblemen. "Man könnte
das als Ausdruck der Emanzipation deuten: Heutige Männer
verstecken ihre 'Wehwehchen' nicht mehr, sondern sprechen darüber
und lassen sie auch behandeln."



Zumindest beim Thema "männliche
Wechseljahre" greift dieses Argument aus seiner Sicht jedoch
nicht: "Hormonpflaster und Testosteron-Injektionen werden häufig
mit dem Versprechen beworben, mit ihnen lasse sich die Zeit
zurückdrehen", sagt er. Fotos kraftvoller Bogenschützen
mit grauen Schläfen versprechen auf Werbeflyern uneingeschränkte
Leistungsfähigkeit und ewige Jugend. Bei Frauen dienen die
Präparate dazu, Beschwerden während der Menopause zu
mildern, bei Männern sollen sie den Alterungsprozess umkehren.
"Die Botschaft lautet: Frauen können gegen das Alter nichts
machen, Männer dagegen schon."



Was Hofer an der aktuellen Diskussion
zu den "männlichen Wechseljahren" kritisiert, ist die
Unvereinbarkeit der Positionen sowie eine Reduktion des alternden
Mannes auf seinen sinkenden Testosteronspiegel: "Die Zuspitzung
Fakt oder Fiktion, Mythos oder Wahrheit greift zu kurz. Viele Männer
zwischen 45 und 60 haben ganz reale Beschwerden, und manchen
kann vielleicht auch durch Hormongaben geholfen werden." Andere
wiederum fühlen sich trotz niedriger Hormonwerte pudelwohl in
ihrer Haut. "Die Idee, alles auf Hormone zurückzuführen,
ist viel zu mechanistisch", meint Hofer. "Als monokausale
Erklärung für Altersbeschwerden beim Mann taugt sie nicht."



WANC 05.12.07

 
 
 
 
 
 
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