Social Jetlag: Wenn unser Schlafverhalten uns krank macht

Schön, dass immer wieder neue Wortschöpfungen - insbesondere wenn sie aus dem englischen Sprachraum stammen - unsere Sprache bereichern. Jetzt also der soziale Jetlag. Der definiert eine Situation, in der unser Schlafverhalten nicht mit unserer inneren Uhr zusammen passt. Diese Situation kann krank machen. Neue Untersuchungen belegen jetzt, dass eine Verschiebung unseres natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus zu Diabetes führen kann. 


Chronobiologie nennt sich die Wissenschaft, die sich mit den Ausprägungen der inneren Uhr beschäftigt, die viele physiologische und biochemische Prozesse, aber auch bestimmte Verhaltensweisen eines Menschen in Zyklen ablaufen lässt. Prof. Dr. Till Roenneberg, Institut für Medizinische Psychologie, Leiter der Human Chronobiologie an der LMU München, erklärt: „Wenn die von der Gesellschaft auferlegten Zeitpläne den individuellen Schlafpräferenzen nicht entsprechen, führen die Unterschiede zwischen dem erwarteten Schlafverhalten an Arbeitstagen und dem, was die innere Uhr diktiert, zu einem ‚social jetlag’. Der soziale Jetlag kann weit reichende Folgen für die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit der Betroffenen haben. Er ist dem Jetlag vergleichbar, den wir nach Flügen über Zeitzonen erfahren, nur begleitet er die Betroffenen meist ein Leben lang.“


Tatsache ist, dass unsere Erbanlagen den Gang unserer inneren Uhr weitgehend bestimmen. Das zeigt sich in unterschiedlichen Chronotypen. Bei sozialen Zeiten liegen wir zwischen einer extremen Lerche, das sind Frühaufsteher und einer extremen Eule, die spät abends besonders aktiv werden. Roenneberg kennt die Problematik: „Eulen zeigen die größte Differenz zwischen ihren Schlafzeiten an Arbeits- und an freien Tagen. Es kommt zu einem beträchtlichen Schlafdefizit unter der Woche, das dann am Wochenende ausgeglichen wird. Aber auch Lerchen können unter sozialem Jetlag leiden, wenn sie zum Beispiel an Wochenenden dem Druck der vorwiegenden Eulenfreunde nachgeben, viel zu spät ins Bett kommen und dennoch am nächsten Morgen zur gewohnt frühen Zeit aufwachen.“


Unter diesen Zuständen leiden insbesondere Schichtarbeiter. Weil deren Tagesrhythmus ständig gestört ist, haben Schichtarbeiter ein erhöhtes Risiko für das metabolische Syndrom (Zusammenspiel aus Fettleibigkeit, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörung und hohe Blutzuckerkonzentration), koronare Herzerkrankung (KHK - Erkrankung der Herzkranzgefäße) und Diabetes Typ 2. Doch Auswirkungen auf eine mögliche Diabeteserkrankung können Studien von Patricia M. Wong von der University of Pittsburgh zur Folge schon kleinere Verschiebungen im Tag-Nacht-Rhythumus haben. Und das kann sogar sonst völlig Gesunde betreffen.


Untersucht hat Wong 447 Frauen und Männer im Alter zwischen 30 und 54 Jahren. Alle waren aushäusig tätig, an mindestens 25 Stunden in der Woche. Bei 85% der Personen veränderten sich die Schlafzeiten an freien Tagen im Vergleich zu Arbeitstagen, und zwar so, dass sie später ins Bett gingen und später aufstanden. Bei 15% passierte genau das Gegenteil, sie standen früher auf. 


Bei denjenigen, bei denen der Schlafzeitraum an freien Tagen am meisten von dem an regulären Arbeitstagen abwich, wurden Veränderungen aufgefunden, die als Risikofaktoren für Typ 2 Diabetes gelten: das Cholesterinprofil  - niedrigeres HDL-Cholesterin - verschlechterte sich, der Insulinspiegel stieg und der Taillenumfang sowie der Body-Mass-Index nahmen zu.


24.11.2015/ Quelle: Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism





Quelle:
http://www.medizinauskunft.de/home/artikel/index.php/index.php/index.php/chronobiologie-diabetes-24-11-15.php
powered by webEdition CMS