Chronisch erschöpft: So matt, dass man nicht mehr aufstehen kann, Schlaf, der nicht erholt (Foto: Rolf van Melis / pixelio.de)
Chronisch erschöpft: So matt, dass man nicht mehr aufstehen kann, Schlaf, der nicht erholt (Foto: Rolf van Melis / pixelio.de)
> Chronisches Erschöpfungssyndrom: Wenn gar nichts mehr geht

Vollkommen erschöpft. Wie gelähmt. Unfähig, das Bett zu verlassen. Und dazu Glieder- und Kopfschmerzen, Übelkeit. Mediziner nennen kennen für diese Symptome einen Namen: chronisches Erschöpfungssyndrom (CFS). Doch viel mehr wissen auch sie häufig nicht. Die Ursachen der Erkrankung liegen im Dunklen, Therapiemöglichkeiten sind beschränkt.

Professor Peter Henningsen, Direktor der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Klinikum rechts der Isar der TU München, beschreibt das chronische Erschöpfungssyndrom so: Schon nach geringster Belastung setzt die Erschöpfung ein. Patienten könnten auch in Ruhe kaum einer konzentrierten geistigen Tätigkeit nachgehen, einige das Bett nicht mehr verlassen. Der Bundesverband Chronisches Erschöpfungssyndrom sagt, dass sich CFS von einer körperlichen Schwäche oder Abgeschlagenheit dadurch unterscheidet, weil "die Leistungsfähigkeit gegenüber dem gesunden Zustand permanent um mehr als 50% verringert ist und diese Situation mehr als sechs Monate besteht".

Das CFS setze oft wie eine Grippe ein, sagt Hennigen. Es sei plötzlich da, verschwinde aber nicht wieder. Die Diagnose könne gestellt werden, wenn die Symptome der Erschöpfung nicht nur ein halbes Jahr andauerten, sondern auch mindestens vier der weiteren Beschwerden vom Arzt fest gestellt werden könnten: Gedächtnis- und Konzentrationsprobleme, Halsschmerzen, druckempfindliche Lymphknoten, Muskelschmerzen, Gelenkschmerzen, Kopfschmerzen und ein nicht-erholsamer Schlaf. Henningsen geht davon aus, dass Frauen häufiger darunter leiden als Männer.

Wodurch das CFS ausgelöst wird, ist weitgehend unklar. Im Zusammenhang mit der Erkrankung finden Ärzte oft einen Mangel am Stresshormon Kortison oder einen Anstieg von entzündlichen Botenstoffen wie Interleukin-6. Allerdings vermutet man, dass es sich dabei eher um die Folgen und nicht um die Ursachen der Erkrankung handelt. Henningsen sieht die Ursachen für CFS vielmehr in tiefgehenden psychischen Verletzungen in der Kindheit. Eine Studie hat ermittelt, dass Kinder, die exuelle, körperliche oder emotionale Traumatisierungen erlitten hatten, als Erwachsene sechsmal öfter an CFS erkrankten.

Die Behandlung der Krankheit ist schwierig. Die Ergebnisse einer im Jahr 2011 veröffentlichten Studie besagen, dass nur zwei von verschiedenen getesteten Therapiemöglichkeiten Aussicht auf Erfolg haben: die kognitive Verhaltenstherapie und die gestufte Aktivierungstherapie. Die erste versucht die Angst vor der Erkrankung zu nehmen, die zweite die körperliche Energie und Fitness zu stärken. Laut Henningsen erreichen 30% der Patienten unter diesen Therapien wieder normale Werte, doch seien die Effekte insgesamt nur "moderat". Er räumt auch ein, dass es eine wirkliche Heilung bisher nicht gibt. Und es besteht bei manchen Betroffenen die Gefahr, dass sich deren Zustand unter jeder Behandlungsform verschlechtert.

Nicht das ist für die Erkrankten eine Katastrophe. Denn zu dem Umstand, nicht geheilt werden zu können, kommt die weitverbreitete Ablehnung der Menschen. Hennigen weiß, dass das CFS sehr oft auf Misstrauen und Unverständnis trifft. Und weil sich nur wenige Ärzte mit CFS auskennen, werden viele Patienten auch noch falsch therapiert.

Berliner Ärzteblatt 29.01.2013/ Quelle: DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift
 
 
 
 
 
 
powered by webEdition CMS