Placebos setzen körpereigenes Morphium frei

Wirkstofffreie Medikamente – so genannte Placebos -
lindern bei etwa jedem dritten Patienten die Beschwerden. Reine Einbildung?
Nein: Eine aktuelle Studie des Universitätsklinikums Hamburg weist jetzt nach, dass
Placebo-Schmerzmittel die Schmerzverarbeitung im Gehirn verändern. Auf
Kernspintomographie-Bildern kann man den Placeboeffekt sogar sichtbar machen.


Die Hamburger Forscher untersuchten mit Unterstützung durch
das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) 19 Studenten. Den Studienteilnehmer
wurde auf den Handrücken eine Placebo-Salbe aufgetragen - mit der Information,
es handle sich um ein stark schmerzlinderndes Medikament. Anschließend setzten die Wissenschaftler
mit einem Laser Schmerzreize an beiden Handrücken. Die Studienteilnehmer gaben
an, ob an der eingecremten Hand der Schmerz geringer war oder nicht. Während
des Experimentes nahmen die Wissenschaftler mithilfe der funktionellen
Kernspintomographie Schnittbilder von Gehirn auf. Darauf konnten sie erkennen,
welche Hirnareale gerade aktiv waren.



Alle Studienteilnehmer unterzogen sich dem Experiment
zweimal - einmal wurde die rechte und einmal die linke Hand eingecremt. Bei etwa
der Hälfte der Untersuchungen linderte die wirkstofffreie Salbe den Schmerz.
Dieser Placeboeffekt ist auf den Kernspintomographie-Bildern nachweisbar. Drei
Hirnregionen waren dort besonders aktiv: "Von diesen Hirnarealen wissen
wir, dass sie an der Schmerzverarbeitung beteiligt sind, unter anderem an der körpereigenen Schmerzhemmung durch Endorphine –
morphiumartige Substanzen, die der Körper selbst produziert. Auch
morphiumhaltige Medikamente entfalten ihre schmerzlindernde Wirkung zu einem
großen Teil über diese Hirnregionen", erläutert Projektleiter Büchel.
"Wir vermuten deshalb, dass Placebo-Schmerzmittel eine Endorphin-Ausschüttung auslösen. Die Endorphine hemmen dann
in den drei von uns identifizierten Hirnregionen die Schmerzwahrnehmung."



Darüber hinaus scheinen diese Areale für das so genannte konditionierte
Lernen eine Rolle zu spielen. Büchel: "Wenn man weiß, dass man gleich
Schmerzen haben wird, diese Schmerzen aber bereits kennt, tut es weniger weh,
als wenn die Schmerzen zum ersten Mal auftreten. Der Körper hat aus den
Schmerzen gelernt und schüttet rechtzeitig Endorphine aus. An diesem
Lernvorgang sind die drei Hirnregionen ebenfalls beteiligt."



Büchel hofft, den Placeboeffekt eines Tages stärker therapeutisch
nutzen zu können. "Fakire laufen durch Scherben, ohne Schmerzen zu haben
oder durchbohren sich die Zunge, ohne dass es blutet. Bei solchen Phänomen
spielen wahrscheinlich ähnliche Vorgänge wie beim Placebo-Effekt eine Rolle. Vielleicht
finden wir ja Wege, um dieses Potenzial, das in uns schlummert, zu nutzen."



WANC 28.04.06





Quelle:
http://www.medizinauskunft.de/home/artikel/index.php/index.php/index.php/28_04_placeboeffekt.php
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