Übergewicht: Die Rolle des Immunsystems

Möglicherweise spielt unser
Immunsystem beim Entstehen von Adipositas eine entscheidende Rolle.
Wissenschaftler haben Antikörper identifiziert, die krankhaftes
Übergewicht auslösen. Für eine bestimmten Gruppe von
Adipositas-Patienten könnte das eine individualisierte medizinische
Behandlung ermöglichen.
Übergewicht und Fettleibigkeit, auch Adipositas genannt, sind in den
letzten Jahrzehnten weltweit zu einem medizinischen Problem geworden.
Wie schwergewichtig das Problem ist, zeigen Ergebnisse einer Studie aus
dem Jahr 2007. Demnach sind in Deutschland 75 Prozent der Männer und 59
Prozent der Frauen zu dick. 52,9 Prozent der Männer sind übergewichtig,
22,5 leiden unter krankhafter Fettleibigkeit. Bei den Frauen haben 35,6
Prozent Übergewicht, 23,3 Prozent sind adipös. Die Folgen: Jeder dritte
Herzinfarkt und jeder vierte Schlaganfall ist indirekt die Folge von
Übergewicht. Allerdings: Nicht immer sind unbändiger Hunger und fettes Essen die
Gründe für das Übergewicht. Bei den meisten Patienten konnte keine
spezifische Ursachen dafür verantwortlich gemacht werden, sagen
Experten. Was ist es dann? Prof. Karl G. Hofbauer und Dr. Jean-Christophe Peter
vom Biozentrum der Universität Basel glauben inzwischen nachweisen zu
können, dass das Immunsystem eine Rolle spielt. Aus Untersuchungen am
Tier und aufgrund seltener Fälle von Einzelgenmutationen am Menschen
sind verschiedene Schaltstellen im Gehirn bekannt, die bei der
Regulation der Nahrungsaufnahme eine wesentliche Rolle spielen. Ein
Beispiel dafür ist der so genannte Melanocortin-4 (MC4) Rezeptor im
Hypothalamus, eine Hirnregion, die für die Koordination des
Energiehaushalts wichtig ist. Wird der MC4-Rezeptor, der normalerweise
den Appetit und damit die Nahrungsaufnahme senkt, über längere Zeit
blockiert, führt das zu Adipositas. Eine aktive Immunisierung gegen diesen Rezeptor löst die Produktion von
hemmenden Antikörpern aus. Diese Antikörper führen zu einer
Gewichtszunahme und zu Stoffwechselstörungen, wie sie auch an adipösen
Patienten beobachtet werden. Antikörper, die sich gegen körpereigene
Proteine richten, werden Autoantikörper genannt, und man kennt
verschiedene Krankheitszustände, sogenannte Autoimmunerkrankungen, an
denen sie ursächlich beteiligt sind. Tatsächlich fanden die Forscher in den Blutproben von über 200
Patienten mit Normalgewicht, Übergewicht oder Adipositas folgendes: Bei
etwa 4% der Patienten mit Gewichtsproblemen stießen sie auf spezifisch
gegen den MC4-Rezeptor gerichtete, pharmakologisch aktive
Autoantikörper, während bei normalgewichtigen keine Autoantikörper
festgestellt wurden. Dies könnte, so Hofbauer, "auf einen Zusammenhang
zwischen Autoantikörpern gegen den MC4-Rezeptor und der Entstehung von
Übergewicht und Adipositas hinweisen". Zurzeit laufen weitere klinische Studien, in denen Hofbauer und seine
Gruppe untersuchen, wie Patienten mit Autoantikörpern gegen den
MC4-Rezeptor auf Diät oder operative Eingriffe ansprechen. Diese
Ergebnisse sollten Hinweise auf die klinische Bedeutung solcher
Autoantikörper erbringen und eine individuelle Beratung und Betreuung
der betroffenen Patienten ermöglichen. WANC 24.02.09, Quelle: Jean-Christophe Peter, Akkiz Bekel,
Anne-Catherine Lecourt, Géraldine Zipfel, Pierre Eftekhari, Maya
Nesslinger, Matthias Breidert, Sylviane Muller, Laurence Kessler, and
Karl G. Hofbauer; Anti-melanocortin-4 receptor autoantibodies in
obesity. Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism





Quelle:
http://www.medizinauskunft.de/home/artikel/index.php/index.php/index.php/24_02_adipositas_immunsystem.php
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