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Übergewicht macht unbeweglich - Abnehmen geht deshalb hauptsächlich über die Ernährung (Foto von Victoria Shes auf Unsplash)
> Fettleibig: Umstellung der Ernährung wichtiger als mehr Sport

Führt Übergewicht zu körperlicher Unbeweglichkeit oder macht wenig Bewegung dick? Manche werden sich fragen, was das für einen Unterschied macht. Doch für Ernährungswissenschaftler kann diese Frage sehr wichtig sein. Denn die Antwort könnte aufzeigen, wo sie mit der Gesundheitsförderung zur Vermeidung von Übergewicht vorrangig ansetzen müssen: bei der Ernährung oder bei der Bewegung. Eine englische Untersuchung will jetzt die Richtung vorgeben: Übergewicht macht inaktiv, aber wenig Bewegung macht nicht dick. Das bedeutet: Es kommt vor allem auf eine Umstellung der Ernährung an.

In der Tat: Irgendwie hört es sich wie der Streit um des Kaisersbart an. Wird man dick, weil man sich nicht bewegt oder bewegt man sich wenig, weil man dick ist? Doch wenn man bedenkt, dass Adipositas (Body Mass Index -BMI – ab 30) in Deutschland seit vielen Jahren kontinuierlich zunimmt. Derzeit sind etwa 50 % der erwachsenen Männer mit einem BMI ab25 übergewichtig und ca. 18 % mit einem BMI ab 30 adipös. Bei den erwachsenen Frauen sind etwa 35 % übergewichtig und knapp 20 % adipös. Auch bei Kindern und Jugendlichen nimmt die Zahl der übergewichtigen und fettleibigen ständig zu.

Die Schwierigkeiten bei der Prävention beschreibt die Leitlinie Prävention und Therapie der Adipositas, die von verschiedenen medizinischen Fachgesellschaften mit dem Ziel erstellt wurde, Ärzten Behandlungsempfehlungen zu geben. Die Leitlinie stellt fest, dass mit zunehmender Dauer und Ausprägung der Adipositas die Behandlung immer schwieriger, komplexer und teurer wird. Dass die gesundheitlichen Folgeerscheinungen der Adipositas nach Gewichtsverlust nicht immer abklingen. Und dass mittlerweile so viele Menschen in den meisten Industrienationen Adipositas haben, dass die verfügbaren Ressourcen nicht mehr ausreichen, um allen Betroffenen eine Behandlung anbieten zu können.

Darüber hinaus stellen die Wissenschaftler der Peninsula Medical School in Plymouth, England, fest, dass viele Präventionsmaßnahmen scheitern, bei denen über mehr Sport und körperliche Aktivität Übergewicht vermieden oder sogar abgebaut werden sollte. Das mögen viele Gründe dafür sein, den Zusammenhang zwischen Übergewicht und Bewegung zu klären, um den richitgen Ansatz für Vorsorge und Behandlung zu finden.

Dazu sammelten die Forscher 307 Kinder im Alter von fünf Jahren aus 54 Grundschulen in Plymouth im Jahr 2000/2001. Darunter waren 53% Jungen, 25% hatten Übergewicht oder Diabetes. Diese Kinder wurden im Alter von 7, 8, 9 und 10 Jahren erneut untersucht. Dabei wurde das Ausmaß körperlicher Bewegung, die Masse des Körperfetts, der Body-Mass-Index und der Hüftumfang erfaßt. 



Bei der Auswertung der Daten fanden die Wissenschaftler heraus, dass die Körperfettmasse zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Prognose für das Ausmaß an körperlicher Bewegung in den folgenden Jahren erlaubte. Umgekehrt war es aber nicht möglich, Veränderungen des Körperfetts für denselben Zeitraum nur auf der Basis der körperlichen Aktivität vorherzusagen.

So bedeutete eine im Vergleich zur ersten Datenerhebung im Alter von fünf um 10 Prozent höhere Körperfettmasse im Alter von sieben Jahren, dass sich das Ausmaß der körperlichen Bewegung in den folgenden drei Jahren um vier Minuten pro Tag reduzierte. Zwischen Jungen und Mädchen gab es Unterschiede in Bezug auf das Ausmaß körperlicher Bewegung und in Bezug auf das Körperfett. Doch die Zusammenhänge zwischen Gewichtszunahme und Bewegung blieben bei beiden Geschlechtern gleich. 



Nach Ansicht der Wissenschaftler um Brad S. Metcalf ist es kein Wunder, dass Präventionsprogramme für Fettleibige nicht wirken, wenn sie vor allem über mehr Sport und körperliche Aktivität Übergewicht vermeiden oder verringern sollen. Die häufig gesuchte Erklärung, es habe nur am Umfang der körperlichen Bewegung gemangelt, sei eine Ausrede. Das Übergewicht bei Kindern müsse vor allem durch eine gesunde Ernährung bekämpft werden. Es sei unsinnig, immer mehr Sport und körperliche Bewegung zu fordern. Sport, so Metcalf, diene zwar der Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustandes, zur Prophylaxe von Übergewicht sei er jedoch ungeeignet.

Experten stellen diese Ergebnisse durchaus in Frage. Denn die Studie lasse auch andere mögliche Gründe für Adipositas außer Acht: beispielsweise psychologische Gründe oder der Einfluß sozialer Umstände. Hinzu kommt, dass auch die Leitlinien immer eine Kombination verschiedener Therapienansätze empfehlen. So nimmt eine Umstellung der Ernährung die gleiche Bedeutung ein wie das Anheben der körperlichen Aktivität.

WANC 19.10.10, Quelle: Arch Dis Child doi:10.1136/adc.2009.175927

 
 
 
 
 
 
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