Wenn Übergewicht das Leben verlängert

Gibt es doch nicht, werden viele
denken. Dick zu sein, bedeutet doch meist, auch kränker zu sein.
Jedenfalls ist es das, was wir in Warnungen von Ärzten, Krankenkassen
und Berichten zum Einfluß des Gewichtes auf die Gesundheit immer hören
und lesen. Stimmt – aber eben nicht immer. Bei manchen Krankheiten kann
Übergewicht sogar lebensverlängernd wirken.
Bei gesunden Menschen erhöht Übergewicht die Anfälligkeit für
Krankheiten, die das Leben verkürzen. Doch bei einigen chronischen
Erkrankungen scheinen ein paar Pfunde zu viel auf der Waage die
Überlebenschancen eher zu verbessern. Auf solche Fälle kann der
Epidemiologe Dr. Thomas Dorner von der Universität Graz verweisen – es
gibt Studien, in denen Übergewichtige länger lebten als Patienten mit
Normalgewicht. Vorteilhaft ist ein leichtes Übergewicht für Menschen mit einer
Pumpschwäche des Herzens, der sogenannten Herzinsuffizienz, oder für
jene mit verengten Herzkranzgefäßen. Auch Hochbetagte leben länger,
wenn sie im Krankheitsfall etwas zuzusetzen haben. Das gleiche trifft
auf Dialyse-Patienten mit einem Body-Mass-Index (BMI) über 25 kg/m2 zu,
der allgemein als Grenze zum Übergewicht gilt. Weitere Erkrankungen,
die Übergewichtige besser zu verkraften scheinen, sind chronisch
obstruktive Lungenerkrankungen (COPD) und Gelenkrheuma. Es gibt gewichtige Argumente, die für eine Schutzwirkung der Adipositas
bei bestimmten Krankheiten sprechen. Dazu erklärt Dorner: „Chronische
Entzündungen können den Appetit unterdrücken und zu einem vermehrten
Abbau der Muskulatur führen. Betroffen sind vor allem Hochbetagte.
Generell profitieren chronisch Kranke davon, wenn für den
Krankheitsfall Energiereserven angelegt sind. Ihnen zur Gewichtsabnahme
zu raten, wäre nicht sinnvoll.“ Das Fettgewebe könne die Patienten auch schützen, weil sich dort Gifte
ablagern oder sogar abgebaut werden. Blutfette sind laut Dorner in der
Lage, Schadstoffe von Krankheitserregern abzufangen und auf diese Weise
die Infektabwehr zu unterstützen. Deshalb sollte der Body-Mass-Index
bei Kranken niemals zum einzigen Entscheidungskriterium für die
Empfehlung von Diäten gelten, solange deren Wert nicht eindeutig durch
weitere Studien geklärt sei. Schließlich sollten beim
Gewichtsmanagement von Hochbetagten und chronisch Kranken stets die
Auswirkungen auf die Lebensqualität berücksichtigt werden, findet der
Epidemiologe. WANC 11.03.10, Quelle: T. E. Dorner, A. Rieder: Das Adipositasparadoxon
oder Reverse Epidemiologie: Hohes Körpergewicht als protektiver Faktor
bei bestimmten chronischen Bedingungen? DMW Deutsche Medizinische
Wochenschrift 2010; 135(9): S. 413-418





Quelle:
http://www.medizinauskunft.de/home/artikel/index.php/index.php/index.php/11_03_uebergewicht.php
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