Foto: Rubin, Ruhr Universität Bochum
Zu den 13 Einzeltests gehören zum Beispiel Messungen der Wahrnehmungs- und Schmerzschwellen für Kälte- und Wärme, für Berührung (feine Glasfaser, Watte, Pinsel), Druck (Druckmesser), spitze Schmerzreize (stumpfe Metallstifte) und Vibration (Stimmgabel) (Foto: Rubin, Ruhr Universität Bochum)
> Nervenschmerz: Passgenaue Therapie
Die düstere Bilanz: Nur einem Drittel
der Patienten mit Nervenschmerzen kann wirklich geholfen werden. Bei
dem Rest versagen die Therapien – meist vollständig. Wissenschaftler
wollen den durch Defekte an Nervenfasern entstehenden Schmerz jetzt
bekämpfen, in dem sie ihn messen. Dadurch soll ein Profil des Schmerzes
entstehen und der Mechanismus derartiger Schmerzen offenbart werden.
Dieses Profil soll es erlauben, jedem betroffenen Patienten eine
passgenaue Therapie zu verordnen.
Ständiges Brennen oder Kribbeln, Taubheit und einschießende
Schmerzattacken sind häufige Symptome für Schmerzen, die durch Defekte
an Nervenfasern entstehen. Ursache solcher sogenannten neuropathischen
Schmerzen sind zum Beispiel Verletzungen, Diabetes, Gürtelrose oder
Schlaganfälle. Rund 500.000 Menschen in Deutschland sind betroffen, nur
jedem Dritten kann bislang ausreichend geholfen werden. „Einem Drittel der Patienten können wir mit Schmerzmitteln gut helfen“,
unterstreicht Prof. Dr. Christoph Maier, Leiter der Schmerzambulanz des
RUB-Klinikums Bergmannsheil und beteiligt am Deutschen
Forschungsverbund Neuropathischer Schmerz (DFNS). „Bei einem weiteren
Drittel klappt es so halbwegs, bei einem Drittel überhaupt nicht.“ Warum das so ist, konnte bis vor kurzem niemand sagen. Spezialisten
haben jetzt eine Methode entwickelt, um die Funktionsfähigkeit dicker
und dünner Nervenfasern zu testen. So will man den Mechanismen auf die
Spur zu kommen, die hinter neuropathischen Schmerzen stecken. Die
Testbatterie der sog. Quantitativen Sensorischen Testung (QST) besteht
aus 13 Einzeltests, die mittels einfacher Instrumente in der klinischen
Praxis durchführbar sind. Bei ihnen geht es darum, sowohl die
Wahrnehmungs- als auch Schmerzschwellen für Kälte, Wärme und
verschiedene mechanische Reize zu messen. Heraus kommt dabei ein Profil des Schmerzes. „Charakteristisch für
Patienten mit neuropathischen Schmerzen sind QST-Profile, in denen es
im Temperatur- oder Berührungsempfinden entweder Sensibilitätsverluste
oder -steigerungen gibt, wobei es verschiedene Kombinationen geben
kann“, erklärt Maier. Als Referenz für die Beurteilung der Ergebnisse
dienen die Daten von 180 gesunden Versuchspersonen, gemessen in
verschiedenen Körperarealen (Gesicht, Hände, Füße). Ihre Daten und die
von inzwischen mehr als 4.000 Patienten werden in einer zentralen
Datenbank verwaltet und gepflegt. Aus dem Profil lässt sich indirekt
auf die Schädigung von Nervenbahnen schließen, die auch dann
unterschiedlich sein kann, wenn die ursprüngliche Verletzung und die
Symptomatik gleich sind. Patienten mit neuropathischen Schmerzen lassen sich dadurch
Untergruppen zuordnen: Solche mit ausschließlichem Sensibilitätsgewinn
für Temperatur- und mechanische Reize (Plus/Plus), mit gleichzeitigem
Sensibilitätsgewinn und -verlust (Plus/Minus) und ausschließlichem
Verlust (Minus/Minus). Im nächsten Schritt wird es darum gehen,
aufgrund solcher Profile die passende Behandlung auszuwählen. „Einen Patienten mit Plus/Plus-Profil wird man überwiegend
erregungsdämpfende Medikamente verabreichen, etwa Antiepileptika oder
lokale Betäubungsmittel“, erklärt Maier. „Einem Patienten, der auch
Sensibiltätsverluste zeigt, helfen vermutlich eher Opiate oder
Antidepressiva.“ Um verlässliche Grundlagen für solche
Therapieempfehlungen in der nahen Zukunft zu gewinnen, haben sich die
deutschen Forscher mit Spezialisten in ganz Europa zusammengeschlossen.
Erklärung: Neuropathischer Schmerz
 Nervenschmerz oder neuropathischer Schmerz entsteht durch eine
Schädigung von Nerven in der Peripherie (z.B. in der Haut) oder im
zentralen Nervensystem (im Rückenmark und/oder Gehirn). Ursache können
z.B. Schlaganfälle, Verletzungen, Amputationen oder Erkrankungen sein,
etwa Multiple Sklerose, Diabetes, der zur Entstehung von Nervenschäden
führt, oder Infektionen mit dem Virus Herpes Zoster, im Volksmund
Gürtelrose genannt. Brennende Dauerschmerzen, einschießende
Schmerzattacken, unangenehmes Kribbeln oder Taubheit und extreme
Berührungsempfindlichkeit gehören zu den häufigsten Symptomen. In Deutschland leiden etwa sechs Prozent der Bevölkerung an neuropathischen Schmerzen, das sind rund 500 000 Menschen.   WANC 28.07.10, Quelle: C. Maier et.al.: Quantitative sensory testing in
the German Research Network on Neuropathic Pain (DFNS): Somatosensory
abnormalities in 1236 patients with different neuropathic pain
syndromes. In: PAIN 2010 (in press), doi:10.1016/j.pain.2010.05.002
 
 
 
 
 
 
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