Schmerzen: Mit invasiven Methoden Ursachen finden

Schmerzen wirksam zu behandeln, ist
meist schwer. Schon alleine, weil oft gar keine Ursachen für die
Schmerzen gefunden werden können. Wenn konservative Therapien – wie
Medikamente oder Bewegungtherapie - versagen, können Spezialisten mit
invasiven Strategien mögliche Schmerzquellen an der Wirbelsäule
diagnostizieren und gezielt ausschalten. Darum sollten diese Verfahren
bei »therapieresistenten« Schmerzen rechtzeitig in Erwägung gezogen
werden, fordern Experten. Sie warnen aber auch vor Wildwuchs,
beispielsweise dem unkritischen Einsatz rückenmarksnaher Injektionen
von Schmerz- und Entzündungshemmern ohne vorausgegangene präzise
Diagnostik.
Nahezu jeder Fachartikel über chronische Rückenschmerzen beginnt mit
diesem Satz: „Bei mehr als 90 Prozent der Patienten mit chronischen
Rückenschmerzen kann keine spezifische organische Ursache der
Beschwerden festgestellt werden.“ Darum setzen die Experten – nach
Überprüfung bestimmter Warnsignale (»red flags«) – inzwischen auf die
»multimodale Therapie«. Diese verknüpft verschiedene
Komponenten: Medikamente, Bewegungstherapie, Verhaltensmedizin sowie
bei Bedarf auch andere Maßnahmen. Diese Kombitherapie führe zu besseren
Behandlungsergebnissen als die »konventionelle« medizinischen
Behandlung. Die Schmerzen der Patienten bessern sich, ebenso die
verschiedenen Funktionen. Doch die Schmerzexperten wissen auch: Keine Methode hilft 100 Prozent
der Patienten. „Durch eine sehr präzise und exakte Diagnostik an
verschiedenen Strukturen der Wirbelsäule, lassen sich in solchen Fällen
durchaus mögliche Schmerzquellen identifizieren, welche durch gezielte
invasive Maßnahmen ausgeschaltet werden können“, erklärt der Hamburger
Schmerztherapeut Dr. Bruno Kniesel die medizinischen Möglichkeiten. So können beispielsweise feinste Risse im inneren Bereich einer
Bandscheibe – ohne dass ein Bandscheibenvorfall vorliegt – oder
Veränderungen an den so genannten Facettgelenken der Wirbelkörper oder
den Kreuz-Darmbeingelenken (Iliosacralgelenken) Schmerzen verursachen.
„Wichtig ist, dass diese Verfahren nicht erst nach vielen Jahren,
sondern bereits dann in Betracht gezogen werden, wenn die konservativen
Therapieversuche binnen eines Jahres keine Verbesserung erbracht haben,
weil dadurch die Chronifizierung des Schmerzes fortschreitet“, betont
Kniesel. Eine US-Forschergruppe berichtet im aktuellen Fachjournal Pain Medicine
über ihre Untersuchung von »therapieresistenten« Rückenschmerzen bei
156 Patienten. Resultat: Wie schon andere Gruppen zuvor konnte das Team
bei 42 Prozent der Patienten Risse im inneren Bereich der Bandscheibe
nachweisen, bei 31 Prozent waren die Facettgelenke und bei 18 Prozent
der Patienten die Kreuz-Darmbeingelenke die Schmerzquelle. Wobei die
Bandscheibenrisse sich bei den jüngeren Patienten häufen und die
anderen Schmerzursachen eher bei älteren Patienten diagnostiziert
wurden. Identifiziert werden die Schmerzquellen an der Wirbelsäule mit
invasiven Methoden. Risse in den äußeren Bereichen des Faserringes der
Bandscheibe werden etwa mittels der sogenannten Diskographie
nachgewiesen. Bei dieser Methode wird ein Kontrastmittel unter
örtlicher Betäubung und Röntgenkontrolle (Bildwandler) in die
Bandscheibe gespritzt. Ein Kontrastmittelverlust aus dem
Bandscheibenkern heraus, zeigt beispielsweise einen Bruch im
Bandscheibenring an. Da die Injektion auch zu einer Druckerhöhung in
der Bandscheibe führt, provoziert diese bei einer geschädigten
Bandscheibe den typischen Schmerz des Patienten. Kann der Arzt einen solchen Schaden an der Bandscheibe diagnostizieren,
ist dies für die Patienten, die oft jahrelange Odyseen hinter sich
haben, oft auch schon mehrfache Wirbelsäulenoperationen, zunächst eine
Entlastung. Kniesel setzt in solchen Fällen zunächst auf eine Stärkung
der Wirbelsäulenmuskulatur, um die Bandscheibe zu entlasten. In
bestimmten Fällen kommt ein kurz IDET genanntes Verfahren in Frage, bei
dem schmerzleitende Nervenendigungen in der Bandscheibe durch eine
Wärmebehandlung zerstört werden. Um die Facettgelenke oder das Iliosakralgelenk als Schmerzquelle zu
identifizieren, wird ein Betäubungsmittel ebenfalls unter
Bildwandler-Kontrolle präzise an die Nervenstruktur gespritzt, die als
Schmerzweiterleiter vermutet wird. Verschwindet der Schmerz, ist die
Schmerzquelle erkannt. „Aber nur wenn die Schmerzquelle eindeutig
identifiziert werden konnte, haben solche minimal-invasiven Eingriffe
maximale Erfolgschancen“, warnt Kniesel. Dann können durch eine
Erhitzung (Radiofrequenzläsion) die feinen schmerzleitenden
Nervenbahnen blockiert werden. Je nach Läsion muss die Therapie nach
einem oder mehreren Jahren allerdings wiederholt werden, da sich die
blockierten Nerven regenerieren. „Diese von der wissenschaftlichen
Gesellschaft ISIS (International Spinal Injection Society) etablierte
präzise Diagnostik findet hierzulande leider noch zu wenig Beachtung“,
bedauert Kniesel. Werden therapieresistente Rücken- und Beinschmerzen durch eine
Verletzung oder Kompression von Nerven (neuropathischer Schmerz) oder
durch Duchblutungsstörungen verursacht, die auf keine konservative
Behandlung ansprechen, kann eine epidurale Rückenmarkstimulation
helfen. Diese kommt auch bei einem therapieresistenten komplexen
regionalen Schmerzsyndrom (CRPS, früher auch Morbus Sudeck genannt) zum
Einsatz. Bei der Rückenmarkstimulation wird eine Elektrode in der Nähe des
Rückenmarks implantiert, über die ein unter die Haut gepflanzter
Impulsgenerator schwache elektrische Impulse zum Rückenmark schickt.
Der Patient empfindet ein Kribbeln, die Schmerzen werden so moduliert. Auch bei dieser Therapie durchlaufen die Patienten eine intensive Phase
der Teststimulation. Die Elektrode wird extern ausgeleitet und vom
Patienten mit einem Handgerät bedient. Ein bis drei Wochen lang
dokumentiert er den Schmerzverlauf und entscheidet erst dann, ob die
Vollimplantation des streichholzschachtelgroßen Generators ihm helfen
wird. Jenen 25 bis 35 Prozent der Patienten, die von einer
Vollimplantation nicht profitieren würden, kann die intraspinale
Medikamentengabe über eine implantierte Medikamentenpumpe helfen. 28.03.2011/ Quelle: Deutsche Gesellschaft für Schmerztherapie e.V.





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http://www.medizinauskunft.de/home/artikel/index.php/index.php/index.php/28_03_schmerz.php
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