Rückenschmerz: Schlecht versorgt

Schmerzpatienten und insbesondere
Patienten mit Rückenschmerz werden in Deutschland nicht optimal
versorgt. Das ist für die Betroffenen fatal, aber auch für die Kosten
im Gesundheitswesen. Denn die Experten sind sich einig, dass es
entscheidend ist, Schmerzpatienten rechtzeitig zu identifizieren. Durch
den ausreichenden Einsatz der richtigen Therapieoptionen sei es nämlich
möglich, einen schweren, meist chronischen Verlauf, der immer mit
erhöhten Kosten verbunden ist, zu vermeiden.
Dass Rückenschmerz nicht gleich Rückenschmerz ist, hört sich fast wie
eine Binse an. Doch für Mediziner und Gesundheitspolitiker ist das eine
wichtige Nachricht. Denn sie bedeutet, dass verschiedene
Rückenschmerztypen nach unterschiedlichen Diagnosemustern untersucht
und auch unterschiedlich behandelt werden müssen. Das hat nämlich unmittelbare Auswirkungen auf die mit der Krankheit
verbundenen Kosten. Je spezifischer der Rückenschmerztyp ist, desto
häufiger erfolgte ein Arztbesuch. Die Rückenschmerzen machen je nach
Typ zirka 20 bis 30 Prozent der mittleren direkten Gesamtkosten aus.
Versicherte mit Hinweisen auf eine Schmerzchronifizierung wiesen höhere
direkte Versorgungskosten auf. Für die betroffenen Patienten sind derlei Erkenntnisse erst einmal
wissenschaftliches Kauderwelsch. Denn ihre Versorgungssituation ist
alles andere als optimal. Obwohl einem Großteil der
Rückenschmerzpatienten im Jahr 2006 ein Schmerzmedikament verschrieben
wurde, erhielten nur wenige Versicherte mit Rückenschmerzen eine
schmerztherapeutische Behandlung im engeren Sinne. Das bedeutet: eine
ambulante oder stationäre multimodale Schmerztherapie, eine
schmerzinduzierte Psychotherapie oder Rehabilitation fanden nicht statt. Da hilft es auch nicht unmittelbar, dass die Studie „Versorgungsatlas
Schmerz“ darüber hinaus feststellt, dass sich die Schmerztherapie in
den letzten Jahren stark gewandelt hat. Und auch die Notiz, dass sich
die Situation von Schmerzpatienten verbessert hat, dürfte sich für die
meisten Betroffenen wie der reine Hohn anhören. „Je effizienter wir die
Therapie steuern, umso besser können wir Folgeerscheinungen und auch
mögliche Komorbiditäten beeinflussen“, betont Prof. Dr. Raimund Casser
vom DGSS (Mitglied des Präsidiums der Deutschen Gesellschaft zum
Studium des Schmerzes) und zeigt damit das bestehende Dilemma auf. Das IGES Institut hat die Schmerzen analysiert. Besonders häufig
vertreten sind Rückenschmerzen: Schmerzen bei Bandscheibenerkrankungen
(Typ 3), andere spezifische Rückenschmerzen (Typ 2) und nicht
spezifische Rückenschmerzen (Typ 9), jeweils zu 6,1 Prozent, 5,2
Prozent und 32,2 Prozent vertreten in der Grundgesamtheit der im Jahr
2006 bei der DAK durchgängig Versicherten. Über 80 Prozent der Versicherten mit spezifischen Rückenschmerzen
suchten im Jahr 2006 mehr als eine „relevante“ Facharztgruppe auf.
Stationäre Behandlungen von Rückenschmerzverursachenden Erkrankungen
waren insgesamt eher selten. Die Arbeitsunfähigkeit aufgrund von Rückenschmerzen trifft insbesondere
Erwerbstätige mit Schmerzen bei Bandscheibenerkrankungen (Typ 3). Dort
war die Arbeitsunfähigkeit des Jahres 2006 zu 25 Prozent durch
Rückenschmerz bedingt. Im Vergleich gingen bei allen erwerbstätigen
Versicherten der DAK 1,4 (12,5 Prozent) der durchschnittlich 11
Arbeitsunfähigkeitstage auf Rückenschmerzen zurück
(DAK-Gesundheitsreport 2003, 2007). Gemäß einer ersten Schätzung verursachen Rückenschmerzen je nach Typ
zirka 20–30 Prozent der mittleren direkten Gesamtkosten. Dies sind bei
Versicherten des Typs „Schmerzen bei Bandscheibenerkrankungen“ 718 Euro
von 2.445 Euro, bei Versicherten mit anderen spezifischen
Rückenschmerzen durchschnittlich 907 Euro von 3.805 Euro und bei
Versicherten mit nicht spezifischen Rückenschmerzen 265 Euro von 1.280
Euro. Bei allen Rückenschmerztypen kommt Heil- und Hilfsmitteln – d. h.
vor allem Krankengymnastik und Massagen – der größte Kostenanteil zu. Versicherte mit Hinweis auf eine Schmerzchronifizierung (aufgrund stark
wirksamer ambulanter Analgetika-Verordnungen bzw. mindestens
sechswöchiger Arbeitsunfähigkeit), wiesen wesentlich höhere direkte
Versorgungskosten auf als Versicherte mit Hinweis auf ein
Schmerzchronifizierungsrisiko (aufgrund psychiatrischer Komorbidität).
Und die Versicherten mit Hinweis auf Schmerzchronifizierungsrisiko
hatten wiederum höhere direkte Versorgungskosten als Versicherte ohne
Chronifizierungshinweis. Außerdem waren Versicherte mit Hinweis auf
Schmerzchronifizierung im Durchschnitt übermäßig lang arbeitsunfähig.
Diese Daten zeigen, dass sich Maßnahmen zur Verhinderung von
Schmerzchronifizierung sowohl in mehr Lebensqualität, als auch in
Kosteneinsparungen niederschlagen könnten. WANC 17.02.10, Quelle: Versorgungsatlas Schmerz, TK, IGES





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