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Chili besetzt in der Zelle Kanäle, die für den Schmerz verantwortlich sind (Foto: Stock photo)
> Mit Chili den Schmerz besiegen
Schmerzen – viele Menschen wissen um
deren Grausamkeit. Und manche werden von ihnen täglich geplagt. Gerade
Menschen mit chronischen Schmerzen wissen, wie wichtig die Behandlung
von Schmerzen ist. Doch noch mangelt es in der Medizin an
wirkungsvollen und nebenwirkungsarmen Schmerztherapien. Forscher
glauben nun ein Wirkprinzip gefunden zu haben, das beide Anforderungen
erfüllt. Vorbild dabei ist Chili.
Eine neue Generation von Schmerzmitteln könnte eine Entdeckung durch
Wissenschaftler am Barrow Neurological Institute bringen. Die
Behandlung von Schmerzen von zahlreichen Krankheiten wie Krebs, Aids,
Migräne und Diabetes könne in Zukunft durch ein Medikament erfolgen,
das nach demselben Prinzip wie Chili funktioniert, sagen die Forscher
um Studienleiter Andrej A. Romanovsky. Große Hoffnung setzt Romanovsky dabei auf die
Vanilloid-Rezeptor-Unterfamilie (TRPV1) der Ionenkanäle, die in der
Zellmembran verortet ist. Es handelt sich dabei um denselben
Rezeptoren, der auch für das Schärfeempfinden von Chili verantwortlich
ist. Der TRPV1-Kanal wird durch verschiedene Stimuli aktiviert, unter
anderem durch Pfeffer-ähnliche Chemikalien, durch hohe Temperaturen
oder Protonen, und bewirkt selbst auch den Schmerz, den diese Stimuli
auslösen. Bisherige Versuche, TRPV1 durch zu blockieren, stießen jedoch
stets an dasselbe Problem: Jeder Versuch einer Blockade löste
Hyperthermie aus - ein fieberähnlicher Zustand, der für den Patienten
gefährlich sein kann. Romanovsky und seinem Team gelang es nun erstmals, genau diese
Nebenwirkung zu überwinden: “Der Trick dabei ist, dass der Antagonist
die Aktivierung des TRPV1-Kanals durch Protonen nicht blockieren darf.
Unter dieser Bedingung entsteht keine Hyperthermie." Die
Schmerzmedikamente, die sich der Forscher vorstellt, sollten daher zwar
die Zellbereiche unempfindlich machen, die die Reize aufnehmen.
Gleichzeitig dürften aber die körperinternen Informationen des
Nervensystems nicht gestört werden. Das Problem des Schmerzes ist ein großes. In Deutschland sollen nach
Angaben der Patientenorganisation Deutsche Schmerzliga e.V. etwa 20
Millionen Menschen unter chronischen oder immer wiederkehrenden
Schmerzen leiden. Bei etwa 30 bis 40 Prozent davon sind die Schmerzen
so ausgeprägt, dass ihr Leben dadurch stark beeinträchtigt ist. Etwa 10
Prozent der Betroffenen hat so genannte "problematische"
Schmerzzustände. Bei ihnen ist der Schmerz, unabhängig von seinem
eigentlichen Auslöser, zu einer eigenständigen Erkrankung geworden. Die Deutsche Gesellschaft für Schmerztherapie e.V. bemängelt, dass ein
erheblicher Anteil der Patientinnen und Patienten mit chronischen
Schmerzen entweder gar keine oder zumindest keine ausreichende
Schmerzbehandlung enthält. Defizite hat die medizinische
Fachgesellschaft in der Ärzteausbildung gemacht. Doch wirken bei vielen Menschen mit chronischen Schmerzen herkömmliche
Schmerzmittel auch nicht immer optimal. Der Effekt ist entweder
unzureichend oder die Präparate verursachen erhebliche Nebenwirkungen. Die wichtigsten Medikamente der Schmerztherapie hat die Barmer/GEK
zusammengestellt. Aufgrund ihres Wirkmechanismus unterscheidet sie bei
den Schmerzmitteln (Analgetika) zwei große Gruppen:

Nichtopioid-Analgetika
Diese Medikamente enthalten keine Opioide. Ihre schmerzstillende
Wirkung entfalten sie über die Hemmung eines bestimmten Enzyms, das zur
Bildung von Prostaglandinen führt. Das sind Botenstoffe, über die das
Gefühl des Schmerzes vermittelt wird. Viele Nichtopioid-Analgetika
unterdrücken zudem Entzündungsreaktionen, was den schmerzlindernden
Effekt noch verstärkt. Die bekanntesten Vertreter sind
Acetylsalicylsäure, Paracetamol, Ibuprofen und Diclofenac. Sie sollen vor allem gegen leichte bis mittelstarke Schmerzen wirken.
Obwohl der Wirkmechanismus derselbe ist, unterscheiden sich die
Nichtopioid-Analgetika in ihren chemischen Eigenschaften und damit in
ihrer Wirkdauer, Wirkstärke und auch ihrem Anwendungsgebiet. Sofern man
sie nur einige Tage einnimmt, sollen Nichtopioid-Analgetika gut
verträglich sein. Bei langfristiger Anwendung steigt die Gefahr von
Nebenwirkungen. Am häufigsten sind Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre
sowie Nierenschäden. Außerdem kann es zu allergischen Reaktionen,
Blutbildveränderungen und Störungen der Leberfunktion kommen. Eine neue Wirkstoffgruppe sind die so genannten COX-2-Hemmer. Auch sie
hemmen bestimmte Enzyme und Entzündungsreaktionen beteiligt ist. Der
Vorteil dieser auch als Coxibe bezeichneten Medikamente soll darin
bestehen, dass sie weniger Nebenwirkungen am Magen-Darm-Trakt
verursachen sollen als die herkömmlichen Nichtopioid-Analgetika.
Allerdings sind die COX-2-Hemmer in letzter Zeit in die Kritik geraten,
weil sie offenbar bei nicht wenigen Patienten in der Daueranwendung zu
schwerwiegenden Herzproblemen führten. Ob der Nutzen der Coxibe deren
Risiken übersteigt wird derzeit kontrovers diskutiert.

Opiate und Opioid-Analgetika
Opiate und ihre synthetisch hergestellten Abkömmlinge, die Opioide,
sind deutlich effektiver als die Nichtopioid-Analgetika. Der
bekannteste Vertreter ist das Morphin. Opioide wirken im gesamten
Nervensystem, also an den peripheren Nerven, im Rückenmark und im
Gehirn. Dort unterdrücken sie die Weiterleitung des Schmerzreizes. Und
zwar so wirksam, dass sich beinahe jeder Schmerz durch
Opioid-Analgetika beseitigen lässt. Die Medikamente sind, falsch und
missbräuchlich angewendet, potenziell suchterzeugend und werden
deswegen von vielen Patienten und manchen Ärzten mit Skepsis
betrachtet. Werden sie, dosis- und zeitgerecht gegeben,  gegen
echte Schmerzen eingesetzt, ist eine Sucht (das heißt ein unstillbares
psychisches Verlangen) nicht möglich. Eine  körperliche
Abhängigkeit kann eintreten. Diese ist jedoch unproblematisch und bei
Beendigung der Therapie durch ein Ausschleichen der Medikamente (im
Gegensatz zum plötzlichen Absetzen) ohne Schwierigkeiten überwindbar. Eine sinnvolle Opioid-Therapie vermeidet starke Schwankungen der
Wirkstoffspiegel im Blut. Patientinnen und Patienten mit chronischen
Schmerzen bekommen diese Medikamente deshalb in der Regel zur
regelmäßigen Einnahme nach einem festen Zeitschema verordnet. Typische
vor allem zu Beginn der Therapie auftretende Nebenwirkungen wie
Verstopfung, Übelkeit und Erbrechen legen sich mit der Zeit oder lassen
sich durch zusätzliche Medikamente wie Abführmittel beherrschen. Auf
dem Markt gibt es eine Vielzahl verschiedener Opioide, die sich
hinsichtlich ihrer Wirkstärke (Potenz) und Wirkdauer unterscheiden. WANC 15.02.10, Quelle: Journal of Neuroscience, Barrow Neurological Institute
 
 
 
 
 
 
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