Schmerzmittelpflaster: Tödliches Risiko

Starke Schmerzmittel werden in
Deutschland zunehmend als Medikamentenpflaster verschrieben. Der Grund:
Die Anwendung ist bequem, über die Haut nimmt der Körper die Mittel
auf, ohne den Darm zu belasten. Der Einsatz ist aber nicht
ungefährlich, weil es immer wieder zu lebensbedrohlichen oder sogar
tödlich verlaufenden Überdosierungen kommt.
Viele transdermale therapeutische Systeme (TTS), wie Ärzte die
Schmerzpflaster nennen, enthalten den Wirkstoff Fentanyl. Er gehört zu
den stark wirksamen Opioiden, die ähnlich wie Morphium den Schmerz
lindern. Opioide können aber auch zur Bewusstlosigkeit und zum
Atemstillstand führen, wenn sie zu hoch dosiert werden, warnt Dr. med.
Thomas Stammschulte von der Arzneimittelkommission der deutschen
Ärzteschaft in Berlin. Diese betreibt zusammen mit dem Bundesinstitut für Arzneimittel und
Medizinprodukte (BfArM) in Bonn eine Datenbank für unerwünschte
Arzneimittelwirkungen. Seit 1995 trafen dort allein zu Fentanyl 781
Verdachtsberichte ein, von denen 128 tödlich verliefen. Der Tod muss nicht immer die Folge der Medikamenteneinwirkung sein,
berichtet Stammschulte. Die Pflaster werden auch bei schwerstkranken
Patienten eingesetzt. Häufig sind es Krebspatienten im Endstadium.
Gerade bei diesen falle die Unterscheidung zwischen Grunderkrankung und
Arzneimittelwirkung schwer. Ein Teil der Todesfälle sei jedoch
„eindeutig im Zusammenhang mit Überdosierungen und/oder Missbrauch der
Fentanylpflaster aufgetreten”, betont Stammschulte.   

 Oft sind es tragische Zwischenfälle. Der Experte nennt das Beispiel
eines Krebspatienten, der von mehreren Verwandten betreut wurde. Diese
brachten versehentlich mehrere Pflaster an. Als die Ärzte den Toten
untersuchen, fanden sie insgesamt acht Fentanylpflaster in
unterschiedlichen Körperregionen. In einem anderen Fall starb ein
einjähriges Mädchen, das beim Spielen ein Fentanylpflaster gefunden und
in den Mund genommen hatte. Das Pflaster war der Tagesmutter nach
Benutzung versehentlich auf den Boden gefallen, wo es von dem Kind
bemerkt wurde, berichtet Dr. Stammschulte.   

 Auch Fälle von Drogenmissbrauch sind bekannt. So hatte eine junge Frau
bis zu 15 Pflaster gleichzeitig angewendet. Durch systematisches
„Doctor-Hopping“ hatte sie sich die erforderlichen Mengen beschafft. Um
die Wirkstoffabgabe zu erhöhen, hatte die Frau die Pflaster erhitzt und
schwere Hautverbrennungen davon getragen.   

 Zu einer Überdosierung könne es auch durch Fieber, heißes Duschen,
Saunabesuch, Sonnenbad oder Wärmflaschen kommen, warnt der Internist. Alle Patienten und ihre Betreuer sollten deshalb die Zeichen der
Überdosierung kennen. Hierzu zählen eine langsame oder sehr flache
Atmung, ein niedriger Puls, starke Schläfrigkeit oder Schwierigkeiten
beim Gehen oder Sprechen, ein Kältegefühl, Schwäche- und
Schwindelgefühl oder Verwirrtheit. Auch die gleichzeitige Einnahme
anderer Medikamente – darunter einige Antibiotika, Herzmedikamente oder
HIV-Medikamente – können Überdosierungen auslösen, weil sie den Abbau
von Fentanyl in der Leber hemmen. Den gleichen Effekt hat laut
Stammschulte Grapefruit-Saft.   

 Auch nach der Entfernung der Pflaster ist die Gefahr nicht vorüber.
Dazu Stammschulte: In den oberen Hautschichten unter dem
Fentanylpflaster bildet sich ein Wirkstoffdepot, aus dem nach Entfernen
des Pflasters noch mehrere Stunden lang Wirkstoff freigesetzt wird.
Beim Verdacht auf eine Überdosierung müssen die Patienten deshalb bis
zu 24 Stunden nach Entfernung des Pflasters überwacht werden, rät der
Mediziner.   WANC 12.05.10, Quelle: T. Stammschulte, K. Brune: 
Probleme der
Arzneimittelsicherheit bei der Anwendung von opioidhaltigen Pflastern
in der Schmerztherapie. 
DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 2010;
135 (17): S. 870-873





Quelle:
http://www.medizinauskunft.de/home/artikel/index.php/index.php/index.php/12_05_schmerz.php
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