Foto: DAK
Typische Nervenschmerz-Symptome sind erhöhte Hitze- oder verminderte Kälteschmerzhaftigkeit (Foto: DAK)
> Wie Gene Nervenschmerzen beeinflussen
Blond oder brünett, klein oder groß,
mehr oder weniger schmerzempfindlich, …? Gene haben beträchtlichen
Einfluss auf unser Aussehen und auch auf unser Verhalten. Dass sie
zudem die Stärke von Nervenschmerzen beeinflussen, zeigt nun eine
Studie auf. Diese belegt eindeutige Zusammenhänge zwischen typischen
Nervenschmerz-Symptomen wie erhöhter Hitze- oder verminderter
Kälteschmerzhaftigkeit und genetischen Varianten so genannter TRP
(Transient Receptor Potential)-Kanäle. Die Ergebnisse versprechen auf
lange Sicht neue therapeutische Optionen mit noch zu erforschenden
Medikamenten, die speziell gegen TRP-Kanäle wirken.


Neuropathische Schmerzen, allgemein als Nervenschmerzen benannt,
entstehen durch eine Schädigung oder Erkrankung von Nervenfasern.
Einschießende Schmerzen, Brennen, Kribbeln oder Überempfindlichkeit auf
Kälte, Wärme und auf normalerweise nicht-schmerzhafte Reize sind
typische Symptome. Häufig treten aber auch sensible Ausfälle wie
verminderte Wahrnehmung von Kälte und Wärme oder unangenehme Taubheit
auf. Bei der Verarbeitung von Kälte-, Wärme- und mechanischen Reizen spielen
spezielle Ionenkanäle, so genannte TRP (Transient Receptor
Potential)-Kanäle, eine wichtige Rolle. Wie sich genetische Varianten
dieser Kanäle auf die Symptomatik neuropathischer Schmerzpatienten
auswirken, haben Forscher des Deutschen Forschungsverbundes
Neuropathischer Schmerz (DFNS) in Zusammenarbeit mit dem Institut für
Pharmakologie der Universität zu Kiel untersucht. Im Fokus standen drei
TRP-Kanäle und deren Polymorphismen, also Gene, dies sich durch
einzelne DNA-Bausteine unterscheiden. Zuerst wurde bei 371 Patienten mit neuropathischen Schmerzen das genaue
Schmerzprofil mit Hilfe der Quantitativ Sensorischen Testung (QST) nach
DFNS-Standard erhoben. Diese erfolgt mit einer so genannten Thermode,
die sich auf der Haut abkühlen und erwärmen kann, und weiteren Mitteln
wie Pinsel oder Wattebausch und erfasst mit insgesamt 13 Parametern die
Wahrnehmungs- und Schmerzschwellen für Kälte, Wärme und diverse
mechanische Reize auf der Haut. „Dank der QST ist es uns gelungen, die Patienten zu charakterisieren.
Zusätzlich konnten wir diese dann in zwei Kategorien einteilen. Eine
mit Patienten, die vorwiegend überempfindlich auf Schmerz reagieren,
und eine Zweite, für die eine verminderte oder normale Reaktion auf
Schmerzen typisch ist. Dabei wies der nachfolgende Vergleich der
Symptomatik mit den vorliegenden genetischen Varianten der TRP-Kanäle
einen eindeutigen Zusammenhang auf.“, erklärt Dr. Andreas Binder von
der Klinik für Neurologie, Kiel. Erstmals konnte gezeigt werden, dass Patienten der ersten Kategorie mit
einer bestimmten Variante der TRP-Kanäle feine Berührungen besser
wahrnahmen und eine geringere Schmerzhaftigkeit auf Hitze und
Nadelreize aufwiesen. Ein anderer Polymorphismus – das ist ein Gen, das
sich durch einzelne DNA-Bausteine unterscheidet - ging wiederum mit
einer geringeren Kälteempfindlichkeit einher. Interessant war auch,
dass alle Patienten mit einer bestimmten TRP-Variante eindeutig unter
paradoxer Hitzeempfindung litten, wobei kalte Reize als heiß empfunden
werden. Zusätzlich wurden 253 gesunde Probanden auf die Häufigkeit derselben
Genpolymorphismen untersucht. “Wir konnten im Vergleich mit den
Patienten zeigen, dass nicht das Auftreten des Schmerzes, aber dessen
Ausprägung durch Genvarianten beeinflusst wird.“, erläutert Dr. Denisa
May, Universität Kiel Die Erforschung spezieller „Schmerz-Gene“ befindet sich immer noch am
Anfang und bedarf weiterer Studien. „Doch schon jetzt zeigen sich neue
Perspektiven auf. So befinden sich erste Medikamente, die speziell
gegen TRP-Kanäle gerichtet sind, bereits in klinischer Erprobung.“,
weiß der Pharmakologe Prof. Ingolf Cascorbi, Universität zu Kiel.
Langfristig hoffen die Forscher auf eine Optimierung der Therapie
neuropathischer Schmerzen. Mit Capsaicin, das den Wirkstoff der
Chilischote enthält, ist das erste Medikament dieser Art bereits auf
dem Markt. 08.04.2011/ Quelle: Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Deutscher
Forschungsverbund Neuropathischer Schmerz, Neurologische Klinik und
Poliklinik Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München
 
 
 
 
 
 
powered by webEdition CMS