Das Schmerzgedächtnis spricht auch auf Worte an
> Warum man am besten über Schmerzen nicht redet
„Achtung, jetzt piekst es gleich."
Nicht nur Kindern, auch vielen Erwachsenen wird nach dieser Ankündigung
beim Arzt ziemlich mulmig. Und sobald die Nadel der Spritze die Haut
berührt, ist der stechende Schmerz auch schon deutlich zu spüren.
„Nach
einer solchen Erfahrung reicht es dann bei der nächsten Impfung schon
aus, sich allein das Bild der Nadel ins Gedächtnis zu rufen, um unser
Schmerzgedächtnis zu aktivieren", weiß Prof. Dr. Thomas Weiß von der
Friedrich-Schiller-Universität Jena.
Wie der Psychologe und sein Team in einer Studie zeigen konnten, sind
es jedoch nicht nur schmerzhafte Erfahrungen und Assoziationen, die
unser Schmerzgedächtnis alarmieren. „Auch verbale Reize führen in den
entsprechenden Hirnarealen zu einer Aktivierung", so Weiß. Sobald wir
Worte hören wie "quälend", "zermürbend" oder "plagend", werden im
Gehirn genau die Regionen aktiviert, in denen wir Schmerzen
verarbeiten. Beobachtet haben das die Psychologen der Uni Jena mit Hilfe der
funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT). Sie untersuchten, wie
Gesunde Worte verarbeiten, die mit dem Empfinden von Schmerzen
assoziiert sind. Um auszuschließen, dass die beobachteten Reaktionen
allein auf einem negativen Affekt beruhen, bekamen die
Studienteilnehmer neben den Schmerz-Worten auch andere negativ besetzte
Worte - etwa "angsteinflößend", "widerlich" oder "eklig" - zu hören. "Wir haben unseren Probanden dabei zwei Aufgaben gestellt", erläutert
Maria Richter aus der Arbeitsgruppe. „In einem ersten Versuch ging es
darum, dass sich die Versuchspersonen zu den Worten eine entsprechende
schmerzhafte Situation vorstellen", erklärt die Psychologin. Bei der
zweiten Aufgabe hörten die Studienteilnehmer die Worte, während sie
durch eine Denkaufgabe abgelenkt wurden. „In beiden Fällen haben wir
eine deutliche Aktivierung der Schmerzmatrix im Gehirn durch die
schmerz-assoziierten Worte festgestellt", so Richter. Andere negativ besetzte Worte aktivierten diese Regionen dagegen nicht.
Auch bei neutralen und positiv besetzen Worten ließen sich keine
vergleichbaren Aktivitätsmuster feststellen. „Diese Befunde zeigen, dass allein schon Worte unser Schmerzgedächtnis
aktivieren können", mahnt Weiß. Dass wir schmerzhafte Erfahrungen in
unserem Schmerzgedächtnis speichern, sei biologisch sinnvoll, da es uns
ermöglicht, schmerzenden Erlebnissen, die potenziell eine Bedrohung für
Leib und Leben sind, künftig aus dem Wege zu gehen. „Unsere Ergebnisse legen jedoch zusätzlich nahe, dass verbalen Reizen
eine bisher unterschätzte Bedeutung zukommt", sagt Weiß. So stelle sich
für die Psychologen nun vor allem die Frage, welche Rolle die verbale
Auseinandersetzung mit Schmerzen für Patienten mit chronischen
Schmerzen spielt. „Diese Patienten sprechen sehr häufig über ihr Schmerzempfinden, etwa
mit ihrem behandelnden Arzt oder dem Physiotherapeuten", sagt Richter.
Möglicherweise verstärkten diese Gespräche die Aktivität der
Schmerzmatrix im Gehirn und führten so zu einer Verstärkung der
empfundenen Schmerzen. Deshalb könne es nichts schaden, nicht zu häufig
über Schmerzen zu reden. Dann sei vielleicht auch die nächste Spritze
nicht mehr so schmerzhaft. WANC 01.04.10, Quelle: EurekAlert, Friedrich-Schiller-Universität Jena
 
 
 
 
 
 
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