Blutplättchen
Blut: Weiße Blutkörperchen produzieren die Exosomen, die bei der Therapie von Rheuma eingesetzt werden können
> Rheuma: Heilung mit Stoff aus unserem Blut
Kann man mit einem Stoff, der aus dem
eigenen Blut produziert wird, Rheuma behandeln? Es scheint so. Der
Stoff sind die sogenannten Exosomen, die bei der Steuerung des
Immunsystems eine wichtige Rolle spielen. In die entzündeten
Gelenke gespritzt, entfalten sie ihre heilende Wirkung. Auch andere
Autoimmunerkrankungen sollen damit behandelbar werden.


Beim Gelenkrheuma handelt es sich um
eine schwere Störung des Immunsystems, da die Immunzellen die
eigenen Gelenkzellen angreifen und somit das Gelenk zerstören.
Allein in Deutschland leiden 800 000 Menschen an Gelenkrheuma,
der sogenannten Rheumatoiden Arthritis. In den meisten Fällen
handelt es sich um ein chronisches Leiden, das in Schüben
verläuft und oft zur Arbeitsunfähigkeit oder zur Frührente
führt. Von der Erkrankung sind auch schon rund 12 000 bis
15 000 Kinder und Jugendliche betroffen. Die Ursachen der
landläufig als "Rheuma" bezeichneten Erkrankung sind
noch nicht bekannt. Die klassische Therapie zielt daher lediglich auf
die Behandlung der Symptome ab. Dabei werden entzündungshemmende
Schmerzmittel und Kortison verabreicht.



Durch Zufall entdeckte ein Düsseldorfer
Orthopädenteam gemeinsam mit Kollegen von der Harvard
Universität die Exosomen. Das sind winzig kleine Zellpartikel,
die von den weißen Blutkörperchen produziert werden.
"Bein einer Gentherapiestudie stellte sich heraus, dass
kleine Partikel über das Lymphsystem zwischen den entzündeten
Gelenken hin- und herreisten und überraschende Wirkungen
zeigten", erklärt Peter Wehling vom Zentrum für
molekulare Orthopädie. Wenn sie in ein Gelenk injiziert wurden,
ging es dem Gelenk auf der anderen Körperseite ebenfalls besser.



Dieses Phänomen passte nicht in
das Verständnis über die Entstehung von Rheuma und anderer
Immunerkrankungen. "Bei weiteren ausführlichen Forschungen
entdeckten wir die Exosomen und konnten eine spezielle Form dieser
Nanopartikel aus weißen Blutkörperchen isolieren",
berichtet Wehling.



Im Rheuma-Modell bei Mäusen hat
sich gezeigt, dass Exosomen hochwirksam sind und sich die
Rheumasymptome stark besserten. Bei gesunden Menschen zeigten sich
die Sicherheit der Exosomen und ein Absinken eines
Entzündungsparameters im Blut, dem so genannten CRP. "Durch
Exosomen lernt das Immunsystem wieder, eigene Zellen als eigen und
fremde Zellen als fremd zu erkennen", erklärt der
Wissenschaftler.



An rund 100 Patienten, bei denen die
klassischen Basistherapien (Kortison, Methotrexat, Anti-TNF) nicht
ausreichten, um einen Stillstand der Entzündung in einzelnen
Gelenken zu bewirken, untersuchte der Wissenschaftler die neue
Therapie. Wehling: "In der klinischen Anwendung hat sich die
Rheumatherapie mit Exosomen, die aus den Blutzellen des jeweiligen
Patienten in einem speziellen Verfahren hergestellt werden, in
Einzelfällen als wirksam und sicher erwiesen.“



"Große randomisierte
klinische Studien müssen aber noch zeigen, ob die lokale
Behandlung mit Exosomen langfristig Vorteile gegenüber den
herkömmlichen Therapien bietet bzw. diese dauerhaft ergänzt",
schränkt der Wissenschaftler ein. Forscher wie etwa der
Molekulargenetiker Paul Robbins von der University of Pittsburgh
arbeiten derzeit mit Wehling an weiteren Untersuchungen. Das
klinische Potential der Exosomen, die aus Monozyten hergestellt
werden, kann nach Meinung der Wissenschaftler jedoch nicht groß
genug eingeschätzt werden, weil ein neu entdeckter Mechanismus
der Immunitätsregelung genutzt wird. "Daraus ergeben sich
möglicherweise auch neue Möglichkeiten bei der Behandlung
anderer Autoimmunerkrankungen wie etwa der Schuppenflechte oder der
Multiplen Sklerose."



WANC 26.10.07

 
 
 
 
 
 
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