Foto: Max-Planck-Institut
Fibroblasten-Zelle: Bündel von Aktinfilamenten (grün), die zum inneren Skelett der Zelle gehören, enden an Fokalkontakten (rot), die die Zelle mit ihrer Umgebung verbinden (Foto: Max-Planck-Institut)
> Arthritis: Gezielter Angriff agressiver Zellen
Wer unter Gelenkrheuma leidet, muss
oft höllische Schmerzen ertragen. Das Gemeine an der Krankheit ist,
dass sich die fehlgeleiteten Immunzellen (die Fibroblasten) wie ein militiärisches
Geschwader organisiert nacheinander auf die noch gesunden Gelenke
stürzen und sie nacheinander zerstören. Die Behandlung der Krankheit
ist schwierig, weil die Schmerzen und die Beweglichkeit meist nur
kurzfristig gebessert werden können. Und es gibt erst wenige
Medikamente, die die Gelenkzerstörung wirksam stoppen können.
  Die rheumatoide Arthritis (RA) beginnt an einzelnen Gelenken und
befällt anschließend eines nach dem anderen. Forscher haben jetzt
gezeigt, dass sich Gelenkrheuma ausbreitet, indem Zellen im Körper
gezielt umherwandern. Fast ein Prozent aller Erwachsenen leidet an rheumatoider Arthritis.
Ursache ist eine fehlgeleitete körpereigene Abwehr: Statt den
Organismus zu schützen, greifen die Zellen des Immunsystems den eigenen
Körper an und rufen entzündliche Prozesse hervor. “Die rheumatoide
Arthritis beginnt an einzelnen Gelenken, doch bei den meisten Kranken
greift sie nach und nach auf weitere über. Die Gründe für diese
Ausbreitung innerhalb des Körpers waren lange unbekannt”, erläutert
Prof. Dr. Jürgen Schölmerich von der Universität Regensburg. Eine aktuelle Studie gibt jetzt Hinweise: Am Entzündungsvorgang
beteiligte Zellen, die sogenannten synovialen Fibroblasten, verlassen
den bereits zerstörten Knorpel der zuerst betroffenen Gelenke. Sie
treten ins Blut über und begeben sich zielgerichtet in gesunde Gelenke.
Dort veranlassen sie dann eine neue Entzündungsreaktion. Auf diese
Weise werde ein Gelenk nach dem anderen zerstört, so Schölmerich.
Unbehandelt führe eine rheumatoide Arthritis zu schwersten
Behinderungen.   Seit Langem setzen Ärzte dagegen entzündungshemmende Medikamente ein.
Zu Beginn der Erkrankung helfen nichtsteroidale Antirheumatika (NSAID).
“Sie lindern erfolgreich die Schmerzen und verbessern die Beweglichkeit
der Gelenke kurzfristig”, weiß Schölmerich. Auch Kortison wirke, komme
wegen der Nebenwirkungen bei Dosen von mehr als fünf Milligramm pro Tag
aber nur vorübergehend bei sehr starken Entzündungen zum Einsatz. Die
weitere Zerstörung und das Übergreifen auf andere Gelenke können diese
Medikamente jedoch nicht verhindern. Deshalb erhalten die Patienten
krankheitsspezifische Mittel, die den Verlauf günstig beeinflussen.   Die meisten dieser krankheitsmodifizierenden Medikamente (disease
modifying antirheumatic drugs, DMARDs) greifen in das
Entzündungsgeschehen ein, erklärt Prof. Dr. Ulf Müller-Ladner von der
Kerckhoff-Klinik Bad Nauheim. Die Wirkung sei allerdings noch zu
ungezielt. Das am häufigsten verwendete DMARD, Methotrexat, stammt
ursprünglich aus der Krebstherapie. Als Zytostatikum verhindert es,
dass Zellen sich teilen, bei der rheumatoiden Arthritis hemmt es auch
deren Aktivierung. Neben den Entzündungszellen greift MTX aber auch
andere Körperzellen an und höhere Dosen rufen unangenehme
Nebenwirkungen hervor. “Wir haben gelernt, diese Mittel behutsam
einzusetzen”, gesteht Müller-Ladner. Doch leider ließe sich auch bei
patientenangepasstem Einsatz die Gelenkzerstörung nicht immer
vollständig aufhalten.   Gezielter wirkt eine neue Gruppe von Rheumamitteln, die Biologika.
Müller-Ladner: “Sie greifen in die Kommunikation zwischen den einzelnen
Abwehrzellen ein. Ihre Wirkung ist deshalb besser auf die Entzündung
konzentriert.” Inzwischen wurden weltweit mehr als eine Million
Patienten damit behandelt. “Wir wissen heute, in welchen Situationen
die einzelnen Substanzen die größten Vorteile haben”, sagt der
Rheumatologe. Biologika machen die Behandelten jedoch infektanfällig. Deshalb gelte
es, sie weiter zu entwickeln, betont Schölmerich. Die Entdeckung der
Fibroblasten als Überträger der Erkrankung innerhalb des Körpers berge
Hoffnung: „Sie verbessert nicht nur das Verständnis des
Krankheitsgeschehens, sie liefert auch neue Ansatzpunkte für
Medikamente, die das Fortschreiten der Gelenkzerstörung aufhalten
könnten.” WANC 25.03.10, Quelle: 116. Internistenkongress der DGIM, Lefèvre S,
Knedla A, Tennie C, Kampmann A, Wunrau C, Dinser R, Korb A, Schnäker
EM, Tarner IH, Robbins PD, Evans CH, Stürz H, Steinmeyer J, Gay S,
Schölmerich J, Pap T, Müller-Ladner U, Neumann E. Synovial fibroblasts
spread rheumatoid arthritis to unaffected joints. Nat Med. 2009
Dec;15(12):1414-20. Epub 2009 Nov 8.
 
 
 
 
 
 
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