Neurogene Blasenstörung: Ist L-Methionin nützlich?

Ob Patientinnen und Patienten mit
einer sogenannten neurogenen Blasenstörung – dabei funktioniert die
Steuerung der Blase durch das Nevernsystem nicht - vom Arzneiwirkstoff
L-Methionin profitieren, ist unklar. Die einzige derzeit verfügbare
Studie liefere weder Belege für einen Nutzen noch Belege für einen
Schaden, sagt das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im
Gesundheitswesen (IQWiG).
Die normale Funktion der Harnblase besteht darin, den Urin zu speichern
und diesen kontrolliert und koordiniert auszuscheiden. Diese
koordinierende Aktivität wird durch das Nervensystem reguliert. Ist
dieses geschädigt und die Verbindung zwischen der Blase und dem
Nervensystem ganz oder teilweise unterbrochen, spricht man von einer
neurogenen Blasenstörung. Betroffene merken häufig wenig oder gar nichts von dem Bedürfnis
auszuscheiden und sind unfähig mit der Ausscheidung zu beginnen oder
die Blase von der Entleerung abzuhalten (Inkontinenz). Folgen können
unter anderem wiederkehrende Harnwegsinfekte sein. Denn die Tatsache,
dass nach der Harnentleerung immer eine gewisse Menge Urin in der Blase
verbleibt, begünstigt das Entstehen von Harnsteinen (Phosphatsteine)
und Harnblasenentzündungen, die sich zu Nierenentzündungen ausweiten
können. Außerdem kann sich der Urin permanent im Nierenbereich stauen.
Patientinnen und Patienten mit neurogener Blasenstörung haben deshalb
häufig eine verminderte Lebensqualität und ein erhöhtes Risiko für eine
Schädigung der Nieren. Medikamentöse Behandlungen richten sich häufig an die Muskeln, die an
der Harnspeicherung und der Entleerung der Blase beteiligt sind. Der
Wirkstoff L-Methionin, der seit rund 30 Jahren auf dem Markt ist, hat
ein anderes Prinzip: Er entfaltet seine Wirkung über die Ansäurung des
Urins. Der niedrigere pH-Wert soll das Bakterienwachstum und das
Anhaften von Bakterien an der Blasenwand verhindern und so dazu
beitragen, Harnwegsinfekte zu heilen und das Auftreten neuer zu
verhindern. Zum anderen soll er die Neubildung von Harnsteinen bremsen
und die Wirkung von Antibiotika verbessern, die ihr Optimum in saurem
Urin entfalten. Recherchiert hat das IQWiG Studien, bei denen eine Gruppe von Patienten
mit neurogenen Blasenstörungen mit L-Methionin behandelt wurde und eine
Vergleichs-Gruppe entweder ein Scheinmedikament (Placebo) oder eine
andere medikamentöse oder nichtmedikamentöse Therapie erhielt. Ziel der
Therapien sollte es sein, Harnwegsinfektionen oder Harnsteine zu
behandeln oder zu verhindern oder die Wirkung von Antibiotika zu
optimieren. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollten nach dem
Zufallsprinzip einer der beiden Gruppen zugeteilt sein. Hinsichtlich
der Studiendauer gab es keine Einschränkung. Das IQWiG hat nur eine einzige Studie mit insgesamt 89 Patientinnen und
Patienten mit Querschnittslähmung gefunden, die diesen Kriterien
entspricht. In dieser Studie wurde L-Methionin mit einem
Scheinmedikament verglichen. Das IQWiG kritisiert: „Bedauerlicherweise
bleiben wichtige Aspekte von Design und Durchführung der Studie in der
Publikation unklar.“ Nach Einschätzung der IQWiG-Expertinnen und
-Experten sind die Ergebnisse der Studie deshalb in hohem Maße anfällig
für Verzerrungen. Der Sponsor der Studie, zugleich Hersteller eines
L-Methionin-Präparats, habe vom IQWiG angeforderte zusätzliche
Informationen nicht zur Verfügung gestellt. Zu den meisten Zielgrößen wie etwa Sterblichkeit,
Krankenhausaufenthalte, sonstige Komplikationen aufgrund der neurogenen
Blasenstörung oder Lebensqualität liefere die Studie keine Daten.
Erhoben und berichtet würden lediglich Daten zu unerwünschten
Ereignissen und zu Harnwegsinfektionen. Was die unerwünschten
Ereignisse betreffe, treten in beiden Behandlungsgruppen ähnlich hohe
Raten auf, so dass kein Beleg für einen Schaden von L-Methionin
vorliegt. Bei den Harnwegsinfektionen werden in der Studie zwei Zielgrößen
zusammengefasst: Patienten, die lediglich eine erhöhte Keimzahl im Urin
aufwiesen und Patienten, die sowohl eine bestimmte Keimzahl als auch
klinische Symptome, wie z.B. Fieber, zeigten. Laut Leitlinien ist eine
erhöhte Keimzahl allein jedoch nicht bedeutsam und deshalb auch nicht
behandlungsbedürftig. Erst die Kombination mit klinischen Symptomen
macht eine erhöhte Keimzahl zu einem sogenannten patientenrelevanten
Endpunkt. Da die Studie aber keine getrennte Auswertung für die Gruppe
mit Symptomen liefert, sind die Ergebnisse nach Auffassung des IQWiG
nicht aussagekräftig. Somit liege auch in Hinblick auf die
Harnwegsinfektionen kein Beleg für einen Nutzen vor. WANC 12.07.10, Quelle: IQWiG, (Projekt A04-02) L-Methionin bei Patienten mit neurogenen Blasenstörungen





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http://www.medizinauskunft.de/home/artikel/index.php/index.php/index.php/13_07_blasenstoerung_inkontinenz.php
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