Manfred Rohde / HZI
Yersinien (in blau) dringen in Hep2-Zellen ein (Foto: Manfred Rohde / HZI)
> Yersinien: Krankmacher im Darm
Yersinien können schwere
Darminfektionen auslösen: Forscher des Braunschweiger
Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) haben nun
herausgefunden, warum speziell der Serotyp O:3 des Bakteriums Yersinia
enterocolitica gefährlicher ist als seine Verwandten. Durch einige
wenige Veränderungen in seiner Erbinformation haften die Bakterien
stärker an Darmzellen an. Außerdem sind sie besser auf eine Infektion
vorbereitet.
Eine Gemeinschaft vieler verschiedener Bakterien besiedelt unseren
Darm. Diese gesunde Darmflora hilft bei der Verdauung und hält
krankmachende Keime davon ab, unseren Körper zu infizieren. Manchmal
gelingt es Bakterien wie Yersinia enterocolitica jedoch, diesen
Schutzschild zu überwinden, sich im Darm zu vermehren und in unsere
Zellen einzudringen. Sie lösen dann schwere Durchfälle mit krampfhaften
Bauchschmerzen und Fieber aus. Wenn die Bakterien in den Körper und die
Blutbahn gelangen, können zusätzlich eine Blutvergiftung und
Organschäden auftreten. Yersinien kommen in kontaminierten
Lebensmitteln wie rohem Fleisch vor, können aber auch durch verseuchtes
Trinkwasser oder infizierte Haustiere übertragen werden. Von Yersinia enterocolitica existiert eine Vielzahl verschiedener
Serotypen: In Deutschland ist der Serotyp O:3 für die meisten
Erkrankungen verantwortlich. Der Buchstabe „O“ bezeichnet hierbei eine
Variante eines bestimmten Zucker-Fett-Moleküls auf der Oberfläche der
Bakterien. Verschiedene Serotypen unterscheiden sich darin, wie dieses
Molekül aufgebaut ist. In den USA kommt beispielsweise der Serotyp O:8
am häufigsten vor. „Wenn die Bakterien über die Nahrung in den Darm gelangen, haften sie
sich ähnlich den bekannten EHEC-Bakterien an die Darmzellen an und
dringen in sie ein“, erklärt Prof. Petra Dersch, Leiterin der
Arbeitsgruppe „Molekulare Infektionsbiologie“ am HZI. Um die Zellen
schnell infizieren zu können, bilden Yersinien bereits vor einer
Infektion bei niedrigen Temperaturen das Protein Invasin auf ihrer
Oberfläche – sie sind sozusagen allzeit angriffsbereit. „Dabei hilft
ihnen ein besonderes Proteinthermometer: Das Protein RovA reguliert die
Bildung von Invasin“, so Dersch. Die Forscher um Dersch untersuchten, warum Yersinia enterocolitica
Serotyp O:3 aggressiver und infektiöser ist als andere Serotypen. Dabei
machten die Forscher zwei erstaunliche Entdeckungen: Durch eine
Veränderung in der Erbinformation produzieren die Serotyp O:3-Yersinien
siebenfach mehr Invasin-Protein auf ihrer Oberfläche als andere
Yersinia-Serotypen. „Dadurch können die Bakterien sehr effektiv an
Darmzellen anhaften und in diese eindringen“, betont Frank Uliczka, der
die Yersinien untersucht hat. Das Geheimnis liegt in einem sogenannten
“springenden Gen“, das sozusagen in den regulatorischen Bereich des
Invasin-Gens gehüpft ist und damit die Erbinformation verändert hat. Zum anderen sorgt eine weitere Mutation dafür, dass der Regulator
„RovA“ nicht mehr abgeschaltet wird und das Invasin-Gen nun
kontinuierlich neues Protein zum Infizieren produziert. Normalerweise
sorgt das Proteinthermometer dafür, dass die Bakterien, wenn sie erst
einmal in unseren Körper gelangt sind, kein Invasin mehr produzieren.
Dies soll verhindern, dass das Immunsystem die Bakterien als
krankmachend entdeckt und bekämpft. Bisher konnten die Wissenschaftler
jedoch noch keinen Nachteil der ständigen Invasin-Produktion finden.
„Beide Veränderungen der Erbinformation erhöhen die Infektiosität von
Serotyp O:3-Yersinien um ein Vielfaches“, sagt Frank Uliczka. „Dies
erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die Yersinien einen Platz finden,
an dem sie sich fest anheften und uns dann infizieren können.“ „Zurzeit beobachten Wissenschaftler, dass der Serotyp O:3-Yersinia mit
seinen Mutationen andere Yersinia enterocolitica-Serotypen verdrängt“,
weiß Dersch. „Wir hoffen mit unseren Erkenntnissen dazu beizutragen,
ein besseres Verständnis dieser Infektion zu erlangen. Langfristig
könnte dies helfen, Therapieformen und Medikamente gegen
Yersinien-Infektionen zu verbessern.“ 11.07.2011/ Quelle: PLoS Pathog 7(7): e1002117. doi:10.1371/journal.ppat.1002117
 
 
 
 
 
 
powered by webEdition CMS