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Frauen erleiden viel öfter als Männer eine Blasen- oder Harnwegsinfektion (Foto: PhotoAlto)
> Blaseninfektion: Neue Behandlungsmethode

Blasen- und Harnwegsinfektionen
gehören zu den häufigsten Infektionen überhaupt. Überwiegend handelt es
sich um bakterielle Entzündungen, die in mindestens 80% der Fälle durch
Escherichia coli (E.coli) aus der natürlichen, körpereigenen Darmflora
ausgelöst werden. Zu deren Bekämpfung werden bis zu einem Drittel aller
von Ärzten verschriebenen Antibiotika eingesetzt. Wissenschaftler haben
jetzt eine neue Behandlungsmethode entwickelt, die auf Antibiotika
verzichtet.
Frauen sind von Harnwegsinfektionen  - die umfassen
Blasenentzündungen (Zystitis), Nierenbeckenentzündungen
(Pyelonephritis) und Entzündungen der Harnröhre (Urethritis) - häufiger
betroffen als Männer. Weil die Harnröhre kürzer ist, können Keime
leichter in die Harnwege eindringen und sich dort vermehren. Bis zu 40%
der Frauen haben mindestens einmal im Leben eine Harnwegsinfektion, bei
rund 50% tritt sie innerhalb eines Jahres wieder auf. Somit ist die
Harnwegsinfektionen eine häufige – und im Fall eines mehrmaligen
Auftretens – auch gefährliche Erkrankung. Ärzte behandeln Harnwegsinfekte fast immer mit Antibiotika. Weil
Antibiotika aber so häufig eingesetzt werden, führt das zunehmend zu
Resistenzen. Bei wiederkehrenden Infektionen wird die Therapie dadurch
zunehmend erschwert. Dies betrifft insbesondere Patienten mit Diabetes,
Anomalien der Harnwege, Paraplegie oder permanenten Blasenkathetern. Die Alternative zu Behahndlung der Blaseninfektion haben Prof. Dr. Beat
Ernst und seine Gruppe am Departement Pharmazeutische Wissenschaften
der Universität Basel ausgeheckt. Sie nutzen dabei, dass sich der
Erreger - die E.coli-Bakterien - an ihre Zielzellen in der Blase
anheften müssen, um sich im Harnweg festzuhalten und nicht mit dem
Urinfluss weggespült zu werden. Diesen Vorgang nennen die Mediziner
bakterielle Adhäsion. Damit dieser Mechanismus klappt, verfügen die Bakterien an ihrer
Oberfläche über fadenförmige Proteinstrukturen, sogenannte Fimbrien. An
deren Spitze ist das Protein FimH lokalisiert, das für das Anheften
verantwortlich ist. Nun gibt es bestimmte Zuckermoleküle, die sogenannten Glykanen. Diese
beeinflussen zahlreiche biologische Prozesse von der Entstehung des
Embryos über die Wundheilung bis zu Autoimmunerkrankungen. Eine
wichtige Rolle spielen Glykane auch bei der bakterienellen, viralen und
mykotischen Infektionen. Glykane können nun verhindern, dass die
Erreger in der Blase andocken können – es kommt also zu keiner
Infektion. Bisher ließen sich Glykane therapeutisch aber nur bedingt einsetzen,
weil sie zu komplex zum nachbilden waren. Ernst und sein Team haben es
nun geschaftt sogenannte Glykomimetika zu entwickeln. Das sind
Verbindungen, die die Glykanstruktur nachahmen, aber wegen ihrer
einfacheren Struktur für den therapeutischen Einsatz geeignet sind. In einem In-vivo-Infektionsmodell mit Mäusen konnte bestätigt werden,
dass sich die Krankheitserreger beim Einsatz von sogenannten FimH
Antagonisten nicht in der Blase festsetzten. Es gelang, die
Bakterienlast in der Blase bis um einen Faktor 10’000 zu reduzieren.
Bis zu einem Medikament, das Menschen einnehmen können, wird es aber
noch einige Zeit dauern. WANC 02.12.2010, Quelle: Journal of Medicinal Chemistry. DOI: 10.1021/jm101011y
 
 
 
 
 
 
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