Misteltherapie: Umstritten, deshalb zahlen Kassen nicht mehr

Mistelpräparate dürfen nicht mehr auf Kassenrezept zur unterstützenden Therapie bei einer Krebserkrankung verordnet werden. Entschieden hat das der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA), der Beschluß ist am 20. Juni 2012 in Kraft getreten. Während die einen das beklagen, weisen die anderen auf fehlende Wirkungsnachweise hin. Letztlich geht es aber darum, welche Wirkungsnachweise man fordert und wie sie bewertet werden, um Medikamente in die Erstattung durch die Kassen aufzunehmen.
 
„Menschen mit einer schwerwiegenden Erkrankung wird damit eine seit Jahrzehnten bewährte Hilfe verweigert", beschwert sich Dr. med. György Irmey, Ärztlicher Direktor der Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr (GfBK). Mistelpräparate gehören zu den am meisten verordneten onkologischen Arzneimitteln. „Viele Patienten haben bisher erfolgreich Mistelpräparate eingesetzt, um einem Rückfall vorzubeugen oder eine Ausbreitung des Tumors zu verhindern."
 
Mit der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) kann der Patient eine Misteltherapie zwar noch erhalten, aber er muss sie selbst bezahlen. Der Arzt darf sie nicht mehr auf Kassenrezept verschreiben. Ein Unding, wie die GfBK findet. Die Mistel sei eine der am besten untersuchten Heilpflanzen, "ihre Wirksamkeit für Krebspatienten ist durch zahlreiche Studien eindeutig belegt." Das sieht der G-BA ganz anders. Er moniert, dass "qualitativ hochwertige, belastbare Studien, die einen kurativen Nutzen der Misteltherapie belegen" fehlen.

Das Beispiel Misteltherapie belegt, wie kontrovers die unterschiedlichen Interessen in unserem Gesundheitswesen aufeinander prallen. Wie unversöhnlich verschiedene Meinungen ausgetragen werden, besonderes, wenn dahinter auch wirtschaftliche Interessen stehen. Und wie schnell und sorglos die angeblichen Wünsche von Patienten ins Feld geführt werden, wenn sie nur den eigenen Standpunkt untermauern.

Der Streit um die Mistel ist nicht erst in den vergangenen Monaten entbrannt, sondern er schwelt schon seit Jahren. Er rankt sich um die Frage, ob die Mistel eine Heilpflanze bei Krebs ist, ob sie etwas bewirkt oder nicht? Die Befürworter sagen, dass es zahlreiche Studien gebe, die Wirkung belegen. Die Zweifler finden dagegen keinen wissenschaftlichen Nachweis.

Warum die Einschätzung so unterschiedlich ausfällt? Es kommt darauf an, nach welche Kriterien man die Studien bewertet, wie hoch man die Latte für eine klinische Studie anlegt. Lässt man nur den höchsten Standard für derartige Studien gelten, dann fehlten für die Misteltherapie "bis heute wissenschaftliche Beweise der Wirksamkeit, die von allen Seiten zweifelsfrei anerkannt sind. Trotz langjähriger Anwendung und Forschung ist nicht belegt, dass Mistelpräparate das Tumorwachstum hemmen oder gar Krebspatienten heilen können", wie das Deutsche Krebsforschungszentrum (dkfz) betont. Lässt man auch weniger gut kontrollierte Studien zu, dann verschiebt sich das Bild - es finden sich Belege für eine verbesserte Funktion des Immunsystems und eine bessere Lebensqualität während einer Chemotherapie.

Allerdings. Bei Krebs sie die alles entscheidende Frage des Patienten: - Hilft das Medikament, um den Tumor zu besiegen? - Hilft das Medikament, dass ich länger lebe? In anspruchsvollen wissenschaftlichen Studien bestätigte sich die Wirksamkeit der Misteltherapie nicht. Weder wurde eine Besserung der Erkrankung noch eine Lebensverlängerung erreicht. Befürworter einer Misteltherapie führen ins Feld, dass unter Berücksichtigung auch weniger anspruchsvoller Studien, die Verbesserung der Lebensqualität und eine bessere Verträglichkeit konventioneller onkologischer Therapien (Chemotherapie, Strahlentherapie, Operation) am besten belegt seien. Bei der Beurteilung der Verbesserung der Überlebenszeit geben sie sich dagegen sehr vorsichtig und sagen nur, dass diese "möglich" sei. Diese Formulierung lässt erahnen, dass es an wirklichen Beweisen mangelt.

Kann man dem G-BA einen Vorwurf machen, dass er bei derartig unterschiedlichen und umstrittenen Ergebnissen die Allgemeinheit der Beitragszahler nicht weiter belasten will? Hinzu kommt, worauf der dkfz hinweist: "Eine Zulassung durch die Arzneimittelbehörden der Europäischen Union fehlt: In den meisten EU-Ländern haben Mistelzubereitungen kaum Bedeutung für die Krebstherapie. Dies gilt auch für den außereuropäischen Raum. In den USA sind der Import, der Verkauf und die Behandlung mit Mistelspritzen außerhalb von klinischen Studien sogar verboten."

Vergessen sollte man eines auch nicht: Die Misteltherapie hat Nebenwirkungen. Die sind im übrigen genauso wenig gut erforscht wie die angeblichen Wirkungen - das sollte nachdenklich machen. Als Nebenwirkungen von Mistelmedikamenten werden Rötungen, Schwellungen, grippeähnliche Symptome und Schilddrüsenprobleme genannt. Einige Präparate eben auch steigenden Hirndruck an. Es soll auch zu allergischen Reaktionen kommen, die bis zum lebensbedrohenden allergischen Schock reichen. Und seit neuestem wird sogar der Verdacht geäußert, dass Mistelextrakte das Krebswachstum nicht verhindern sondern sogar eher fördern können. So wurde bei einigen Patienten, die mit einer Misteltherapie behandelt wurden, vermehrt Hirnmetastasen beobachtet, bei anderen, bei denen die Lymphknoten von Tumoren befallen waren, verringerte sich die Überlebenszeit.

wanc 01.08.2012/ Quelle: Humannews, dkfz, Gesellschaft Anthroposophischer Ärzte in Deutschland (GAÄD), Stiftung Warentest,





Quelle:
http://www.medizinauskunft.de/home/artikel/index.php/index.php/index.php/mistel_01_08_12.php
powered by webEdition CMS