Darmkrebs-Screening: Unklarer Nutzen

In Deutschland werden sogenannte Krebsvorsorgeuntersuchungen in der Regel gefeiert, weil sie helfen sollen, sich vor Erkrankungen zu schützen. Doch ob Screeningmaßnahmen überhaupt in der Lage sind, Erkrankungen zu verhindern, ist umstritten. Jetzt legt das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) einen Bericht vor, der in Frage stellt, das Früherkennungsuntersuchungen einen Nutzen haben.

Auf der Website der Felix Burda Stiftung heißt es:"Wie Darmkrebs entsteht, ist noch immer nicht hinreichend erklärt. Eine ganz wesentliche Rolle bei der Entstehung spielt aber die familiäre Disposition. Fast drei von 10 Betroffenen haben demnach ihre Krankheit "geerbt". Wenn eine solche familiäre Vorgeschichte hinsichtlich Darmkrebs besteht, haben auch schon sehr junge Menschen ein stark erhöhtes Risiko, an Darmkrebs zu erkranken und sollten regelmäßig zur Vorsorge gehen. Wussten Sie, dass Darmkrebs kein Schicksal ist? Denn früh erkannt, ist Darmkrebs meist zu 100% verhinderbar oder heilbar!"

Auch der Krankenhausreport 2013 der Barmer GEK sieht in gezielten Vorsorgemaßnahmen einen Vorteil. Als Erfolg wird gewertet, dass die Zahl der wegen Darmkrebs im Krankenhaus behandelten Patienten um 21% zurück gegangen sei. Allerdings räumen die Initiatoren der Studie ein, dass gleichzeitig die Behandlungen im ambulanten Facharztbereich zugenommen haben.

Doch ob Menschen, die jünger als 55 Jahre sind und in deren Familien bereits ein Mitglied an Darmkrebs erkrankt ist, von einer Früherkennungsuntersuchung profitieren können, ist unklar, betont das IQWiG. Die Unsicherheit über den Erfolg derartiger Untersuchungen hat einen Grund: Es gibt keine geeigneten Studien, die den Erfolg belegen. So würden zwar 25% aller Kolorektalkarzinomfälle zwar familiär gehäuft auftreten, eine konkrete genetische Ursache lasse sich jedoch nur bei etwa 5% der Erkrankungen feststellen ("hereditäre" Form).




Wie das IQWiG feststellt, tragen unter 55-Jährige mit mindestens einem Fall bei Verwandten ersten Grades ein 1,7- bis 4,1-fach höheres Risiko, an Darmkrebs zu erkranken, als Gleichaltrige, in deren Verwandtschaft Darmkrebs bislang nicht aufgetreten ist. Doch völlig ungeklärt ist, welchen Nutzen eine Screeningstrategie hat, bei der zunächst Personen mit familiärem Risiko identifiziert werden sollen, um ihnen anschließend eine Früherkennungsuntersuchung anzubieten. Denn aussagekräftige Informationen dazu fehlen. Auch für Menschen, bei denen bereits ein höheres Risiko für Darmkrebs festgestellt wurde, liegen bisher keine Studienergebnisse zum Nutzen von Screeningmaßnahmen vor.



Das IQWiG weist auch darauf hin, dass solche Tests nicht nur Potenzial für einen Nutzen, sondern auch für einen Schaden haben können. Ein Schaden könne beispielsweise darin bestehen, dass Personen fälschlicherweise der Risikogruppe zugeordnet werden, was für sie unnötig psychisch belastend sein kann.



Dass Darm- wie Brustkrebs-Sreening möglicherweise mehr Schaden als Nutzen stiftet, hat eine Untersuchung bereits 2005 zur Diskussion gestellt. Die Studie sagt:
• Es ist nicht immer besser eine Krebserkrankung früher zu erkennen.
• Der Nutzen von Krebsfrüherkennung werde überschätzt.
• Früherkennung verändert die Lebenserwartung nicht.
• Es sei kein Erfolgskriterium mehr Krebsdiagnosen zu stellen.
• Selbst ein unauffälliges Testergebnis gebe keine Sicherheit.
• Früherkennung schade durch Fehlalarme und unnötige Eingriffe und Behandlungen.

Auch eine Studie der Universität Ulm bewertet Darmkrebs-Screening mit großen Vorbehalten. Die Wissenschaftler stellten fest, dass Studien, die sich mit dem Nutzen des Darmkrebs-Screening befassen, häufig die Anforderungen an Validität und klinische Relevanz nicht erfüllen. Oder anders ausgedrückt: Die Studien sind so unklar, dass man ihnen nicht trauen kann. Außerdem sagt die Studie, dass die deutschen Empfehlungen zur Primärprävention kaum durch Referenzen unterstützt werden. Und dass es keine glaubhaften Daten gibt, die eine Verlängerung des Überlebens durch das Darmkrebs-Screening bestätigen.

Berliner Ärzteblatt 26.07.2013/ Quelle: IQWiG, Netzwerk Versorgungsforschung, Z Allg Med





Quelle:
http://www.medizinauskunft.de/home/artikel/index.php/index.php/index.php/darmkrebs-screening-26-07-13.php
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