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Umweltverschmutzung ist ein Grund für das Entstehen von Krebs (Foto: Stock photo)
> Ist Krebs eine Zivilisationskrankheit?
Die Frage hat ihre Bedeutung: Hat es
Krebs schon immer gegeben oder stellt diese Krankheit eine moderene
Zivilisationskrankheit dar? Forscher behaupten nun, dass Krebs eine
moderne Krankheit ist, die vor allem auf Umwelteinflüsse wie
Verschmutzung, Ernährung und Lebensstil zurück zu führen sei. Sie
suchten bis zurück in die Antike nach Hinweisen auf Krebs. Dabei
stellten die Wissenschaftler fest, dass die Krankheit früher extrem
selten war und erst seit 300 Jahren zur heute zweithäufigsten
Todesursache in Industrieländern aufstieg.
Die Studienleiterin Rosalie David, eine Ägyptologin, von der
Universität Manchester beschäftigt sich schon lange mit Untersuchungen
von Mumien. Erst kürzlich wies sie nach, dass Priester im alten Ägypten
häufig an beschädigten Arterien litten - vielleicht eine Folge vieler
ungesunder Festbanketts. Nun suchte sie in hunderten Mumien aus
verschiedenen Erdteilen nach Tumoren. Fündig wurde sie dabei nur
selten. Der erste histologische Beweis eines bösartigen Tumors - eines
Kolorektalkarzinoms - gelang für eine Mumie aus der Ptolemäerzeit um
300 vor Christus. Darüber hinaus überprüfte David Literatur aus Ägypten und Griechenland
sowie medizinische Studien von Menschen und Tieren früherer Zeiten,
wobei sie Spuren bis ins Zeitalter der Dinosaurier zurück vefolgte.
Selbst in tierischen Fossilien oder bei nicht-menschlichen Primaten
waren Hinweise sehr spärlich gesät. Beschreibungen für Krebs und dessen
Operationen gibt es erst ab dem 17. Jahrhundert, etwa jene für
Schornsteinfegerkrebs (1775), Nasenkrebs (1761) und Hodgkin-Lymphom
(1832). Mit der industriellen Revolution stieg die Krankheitsrate massiv an,
besonders auch Krebs im Kindesalter. Damit, so die Forscherin, sei die
Meinung widerlegt, die Zunahme von Krebs beruhe auf der längeren
Lebenserwartung der Menschen. „Zudem lebten viele Ägypter und Griechen
lange genug, um Arteriosklerose, Morbus Paget oder Osteoporose zu
entwickeln", unterstreicht David. Ihr Studien-Mitautor Michael
Zimmermann wies zudem in Experimenten nach, dass Mumifizierung
Tumorgewebe besser erhält als andere Gewebe. Heinrich Kovar, wissenschaftlicher Direktor der St. Anna
Kinderkrebsforschung, will das zwar nicht ganz so akzeptieren: „Es gab
zwar auch früher alte Menschen, doch deutlich weniger, was Krebs sehr
wohl auch seltener machte. Zudem dürften Mumifizierungen und
Dokumentationen von Krankheiten auf eine kleine Gruppe beschränkt
gewesen sein." Doch auch Kovar bestätigt, dass Krebs in Zusammenhang mit
Umwelteinflüssen steht: „Bei vielen Karzinomen erkranken Grenzgewebe
zur Umwelt. Das ist etwa die Darmschleimhaut, die mit der Nahrung in
Berührung kommt, die Lungenvesikel, auf die etwa Zigarettenrauch
trifft, oder die Haut." Häufen sich über lange Zeiträume Mutationen an,
die von diesen Einflüssen ausgelöst werden, steige das Risiko, im Alter
an Krebs zu erkranken. „Die heutige verschmutzte Stadtluft oder
landwirtschaftliche Pestizide gab es früher nicht. Dennoch isst man
schon lange geräuchertes Fleisch", gibt der Krebsforscher zu bedenken. Besonders skeptisch bleibt der Wiener Mediziner in einer Richtung:
„Einerseits sind Tumore bei Kindern hundertmal seltener als bei
Erwachsenen, weshalb der statistische Hinweis auf das Altertum wenig
Aussage liefert. Zudem änderte sich ihr Vorkommen im Zeitalter der
modernen Medizin kaum - im Gegensatz zu jenem bei Erwachsenen." Krebs
bei Kindern gehe vor allem auf Mutationen der Erbmasse zurück, wofür
die spontane Mutationshäufigkeit den Ausschlag gibt. „Krebs ist bei
Kindern ein Lotteriespiel, während bei Erwachsenen Umwelteinflüsse das
Risiko erhöhen", so Kovar. WANC 20.10.10, Quelle: Nature Reviews Cancer 10, 728-733 (October 2010) | doi:10.1038/nrc2914, pte
 
 
 
 
 
 
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