Tumorzellen
Tumorzellen: Krebs profitiert offenbar zum Teil von einer Reaktion des Immunsystems (Foto: Max-Planck-Institut)
> Wenn das Immunsystem zum Helfershelfer des Krebs wird
Eigentlich soll das Immunsystem
Krankheiten bekämpfen. Doch nun zeigen Forschungsergebnisse,
dass das Immunsystem die Entstehung von Krankheiten manchmal sogar
fördern kann – und das bei der Entwicklung von Krebs. Jetzt
suchen Wissenschaftler nach Wegen, die Entzündungsprozesse in
den Griff zu bekommen.


Dr. David DeNardo aus der
Forschungsgruppe von Prof. Lisa Coussens von der University of
California, San Francisco, USA, kann erklären, wie Tumore das
Immunsystem nutzen, um schneller zu wachsen und sich im Körper
zu verbreiten: Dringen bei einer Verletzung Keime in die Wunde ein,
weiß der Körper sich zu schützen. Abwehrzellen
erkennen die Erreger und lösen eine Entzündung aus, um eine
Infektion einzudämmen. Von diesem Warnruf angelockt, wandern
viele verschiedene Zellen des Immunsystems zum Entzündungsherd
und helfen, den Eindringling zu bekämpfen. Die verletzte Stelle
rötet sich, wird heiß und empfindlicher und schwillt an.
Ist die Heilung abgeschlossen, lässt die Entzündung nach
und die Abwehrzellen ziehen sich zurück.



Stoßen Immunzellen auf
Tumorzellen, können sie ebenfalls eine Entzündung auslösen.
Im Gegensatz zu einer normalen Verletzung ziehen sich jedoch die
Abwehrzellen häufig nicht zurück, sondern verursachen eine
andauernde, chronische Entzündung. „Man bezeichnet Tumore
deshalb auch als Wunden, die niemals heilen", sagt DeNardo.



Während der normalen Wundheilung
bekämpfen die angelockten Immunzellen nicht nur die
Eindringlinge, sondern erzeugen auch Wachstumsfaktoren und sogenannte
Proteasen, Enzyme, die das Bindegewebe zwischen Zellen
umstrukturieren. Außerdem bilden sich zusätzliche
Blutgefäße, um das verletzte Gewebe besser mit Sauerstoff
und Nährstoffen zu versorgen. Die Blutgefäßneubildung
bezeichnen Forscher als Angiogenese. „Sie soll dem Körper
helfen, eine Wunde schneller zu verschließen",
verdeutlicht DeNardo.



„Die Krebszellen aber nutzen diese
Prozesse für ihre eigenen Interessen." So lassen die
Wachstumsfaktoren die Tumorzellen schneller wachsen, während die
Proteasen das Bindegewebe zwischen Zellen umstrukturieren und es so
einzelnen Krebszellen ermöglichen, sich von ihrem Ursprungstumor
zu lösen.



Doch auch bei der Bildung von
Metastasen, den gefährlichen Tochtergeschwülsten eines
Tumors, hilft die Angiogenese. Die neuen Blutgefäße sorgen
dafür, dass eine einzelne, vom Primärtumor abgelöste
Krebszelle rascher Anschluss an das Blutsystem findet. Da
Abwehrzellen zu den weißen Blutzellen gehören, gelangen
sie über das Blutgefäßsystem zum Entzündungsort.



„Forscher versuchen, Strategien zu
entwickeln, um diese Entzündungsprozesse zu stoppen, um so
Krebspatienten zu helfen", hofft DeNardo. Schon jetzt konnte
gezeigt werden, dass Patienten, die regelmäßig
Acetylsalicylsäure einnehmen, seltener an Metastasen bestimmter
Tumoren erkranken. Der Wirkstoff hemmt die Entzündung und
blockiert damit die Prozesse, die dem Krebs helfen zu wachsen und
sich auszubreiten.



WANC 02.04.08

 
 
 
 
 
 
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