Foto: DAK/Scholz
Das Risiko sich mit Infektionen anzustecken, ist nirgends höher als im Krankenhaus (Foto: DAK/Scholz)
> Krankenhaushygiene: Von Gefahren und Versäumnissen

Die Infektionsgefahr in Krankenhäusern
ist groß – sehr groß. Das belegt nicht erst der tragische Tod von drei
Säuglingen in der Universitätsklinik Mainz. Bekannt ist das Problem
aber seit langem. Doch geschehen ist bisher so gut wie nichts.
Verantwortung und Zuständigkeiten werden hin und her geschoben,
notwendiges Hygienefachpersonal aus angeblich finanziellen Gründen zu
wenig beschäftigt. Jetzt rufen Politiker medienträchtig nach bundesweit
einheitlichen Richtlinien. Wieder einmal viel zu spät. Die Patienten
sind die Leidtragenden.
Das sind die traurigen Fakten: Am Samstag, 21.8.2010, sind im Zentrum
für Kinder- und Jugendmedizin der Universitätsmedizin Mainz zwei Kinder
verstorben, am Montag, den 23. August ein drittes Kind. Die drei
Säuglinge, die aufgrund ihrer schweren Grunderkrankung oder ihrer
Frühgeburtlichkeit bereits intensivmedizinisch betreut wurden,
verstarben wahrscheinlich im Zusammenhang mit der Gabe einer durch
Bakterien verunreinigten Infusionslösung. Darüber hinaus wurden acht
weitere Kinder mit Infusionslösungen derselben Charge versorgt. Bei den betroffenen Infusionen handelt es sich um Ernährungslösungen,
die aus verschiedenen Komponenten externer Hersteller in der Apotheke
der Universitätsmedizin Mainz täglich patientenindividuell hergestellt
werden. Entsprechend den Herstellungsstandards wird die Qualität dieser
Produkte täglich durch das Institut für Mikrobiologie und Hygiene
überwacht. Dadurch wurde die Verkeimung dieser Infusionen festgestellt. Inzwischen wurde die Identifizierung des zweiten Bakteriums in der
Infusionslösung als „Escherichia hermannii“ bestätigt. Genau wie bei
dem zuerst identifizierten Bakterium „Enterobacter cloacae“ handelt es
sich um einen im menschlichen Darm vorkommenden Keim, der an dieser
Stelle harmlos ist. Gelangen beide Keime jedoch an andere Stellen im
Körper, können sie Infektionen auslösen. Die Antibiotika, die die
Kinder bekommen hatten, sind auch gegen diesen zweiten Keim wirksam. Warum und wie es zu diesem schrecklichen Ereignis kommen konnte, ist
noch nicht geklärt. Doch hat es dazu geführt, dass die Diskussionen um
die Hygiene in Krankenhäusern aufbranden. Schade ist, dass es erst den
Tod von Säuglingen braucht, bis derlei geschieht. Denn um die Gefahr
von in Krankenhäusern erworbenen Infektionen – die sogenannten
nosokomialen Infektionen – weiß man schon seit langem. Die Zahlen, wieviele Menschen betroffen sind, schwanken stark. Schon
das zeugt davon, dass die Lage nicht beherrscht wird. Bis zu 800.000
Krankenhauspatienten infizieren sich dort, wo sie eigentlich auf
Heilung hoffen. Und bis zu 100.000 sterben hierzulande jährlich an
Infektionen, die sie sich im Krankenhaus geholt haben. Das sagen
Berechnungen der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH). Warum diese Zahl so extrem hoch liegt, in einigen europäischen Staaten
gibt es viel weniger Opfer, hat viele Gründe: überbordende und sinnlose
Verschreibung von Antibiotika, dadurch hohe Resistenzen bei
Krankheitserregern, mangelnde hygienische Disziplin und mangelndes
Hygienischesfachpersonal. Der überwiegende Anteil aller Infektionsfälle soll nicht vermeidbar
sein, hört man immer wieder. Da würden auch alle Fortschritt der
Medizin nicht helfen. Dennoch: Tatsächlich ist das Infektionsrisiko
nirgends höher als in einer Klinik. Doch das Auftreten von
widerstandsfähigen Keimen wie den gefürchteten MRSA, den
Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus, erklärt nur einen Teil
der Gefahren. Die DGKH und das Nationale Referenzzentrum (NRZ) zur
Surveillance (zu deutsch Überwachung) von nosokomialen
Infektionserregern haben andere Erfahrungen. So gibt es laut der beiden
Institutionen zwar hygienische Empfehlungen für Krankenhäuser. Doch
nicht alle halten sich daran. So entstünden viele Infektionen einfach
dadurch, dass sich beispielsweise Ärzte nicht richtig die Hände waschen
und desinfizieren. Jetzt rufen Politiker plötzlich nach einer bundeseinheitlichen
Regelungen zu Infektionsvermeidung. Die DGKH fordert schon lange eine
gesetzliche Verpflichtung zur Vorhaltung von Hygienefachpersonal in
jedem Krankenhaus. Die Kosten dafür – ca. 20 Millionen Euro pro Jahr –
liegen jedenfalls weit unter den Kosten, die die Infektionen durch
längere Aufenthalte im Krankenhaus, Arbeitsunfähigkeit, Folgeschäden
oder sogar den Tod verursachen.  oder gesetzliche Vorgaben zur
Durchführung von allgemeinen MRSA-Screenings könnten Bestandteile einer
zukünftigen Neureglung sein. Unabdingbar ist hierbei die volle
Refinanzierung der dadurch entstehenden Mehrkosten. WANC 26.08.10, Quelle: Universitätsmedizin Mainz, Deutsches Ärzteblatt, Deutsche Krankenhausgesellschaft
 
 
 
 
 
 
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