Foto: 3DScience
3D-Modell eines HI-Virus (Foto: 3DScience)
> HIV: Wann die Behandlung beginnen muss
HIV - Humanes Immundefizienz-Virus –
ist eine hinterhältige Erkrankung. Man kann sich anstecken, lange Zeit
nichts merken, dann die Symptome eines grippalen Infekts verspüren, die
bald wieder verschwinden – und alles ist vorbei. Für Monate, Jahre oder
Jahrzehnte. Und dann kommt es doch zum Ausbruch von AIDS. Bei diesen
Zusammenhängen lernen die Wissenschaftler immer wieder neue Dinge: Wie
rasch sich das Immunsystem eines HIV-Patienten verschlechtert, sei
nicht entscheidend für Krankheitsprognose und Therapiebeginn. Wichtig
sei allein die tatsächliche die CD4-Zellzahl.
HIV schwächt das menschliche Immunsystem kontinuierlich. Das Virus
zerstört unter anderem systematisch einen Typ von Abwehrzellen namens
CD4-Helferzellen. Normalerweise beginnen Ärzte Patienten erst mit einem
Medikamenten-Cocktail zu behandeln, wenn die Zahl dieser Zellen im Blut
unter einen bestimmten Wert gefallen ist. Die meisten internationalen Behandlungsrichtlininien empfehlen heute
einen Therapiebeginn bei 350 CD4-Zellen pro Mikroliter. Viele
Richtlinien ziehen zusätzlich in Betracht, wie rasch sich das
Immunsystem verschlechtert. Sie raten den Ärzten, bei einem raschen
Abfall der CD4-Zellzahl schon früher mit der Behandlung zu beginnen. Eine Studie unter der Leitung von Forschern der Universität und des
Universitätsspitals Basel zeigt nun aber, dass der Therapie-Entscheid
nicht vom Tempo der Immunverschlechterung abhängig gemacht werden
sollte. Sie fand keinen Unterschied im Krankheitsverlauf zwischen
Patienten mit raschem und langsamem CD4-Zell-Abfall. Das Team um Marcel Wolbers und Heiner Bucher untersuchte die Daten von
2820 Patienten aus Europa, Amerika und Australien. Weil bei diesen
Patienten der Zeitpunkt der Ansteckung mit HIV bekannt war, konnte
gemessen werden, wie rasch sich ihr Immunsystem bis zum Beginn der
Behandlung verschlechtert hatte. Die Forscher erkannten, dass das Tempo der Immunverschlechterung
zwischen den Patienten enorm variiert und nicht vorhersagbar ist. Bei
Menschen mit rascher Abnahme der Zahl der Helferzellen brach die
Immunschwächekrankheit Aids nicht häufiger aus als bei Menschen mit
langsamer Abnahme - und ihr Sterberisiko war auch nicht erhöht. Auch die Abnahmerate beim einzelnen Patienten kann sich im Verlauf der
Jahre stark verändern. Misst ein Arzt sie zu einem bestimmten
Zeitpunkt, kann er also nicht auf den weiteren Verlauf schliessen -
entscheidend für den Therapieentscheid sei einzig die aktuelle
CD4-Zellzahl. Dass die Abnahmerate nicht vorhergesagt werden kann, hat laut den
Forschern eine weitere Konsequenz: Die Zahl der CD4-Zellen bei
HIV-Positiven muss regelmässig - mindestens alle sechs Monate -
gemessen werden. Nur so sei sicher, dass der Schwellenwert nicht
verpasst werde, bei dem die medikamentöse Therapie beginnen müsse. Weltweit sind rund 30 Millionen Menschen mit HIV infiziert. Die
Krankheit kann bisher nicht geheilt werden. Hoch wirksame Medikamente
erlauben es aber, das HI- Virus unter Kontrolle zu halten. Ob HIV damit
schon von einer tödlichen Infektionskrankheit zu einer behandelbaren
chronischen Krankheit mutiert ist, bleibt umstritten. WANC 25.02.10, Quelle: Marcel Wolbers, Abdel Babiker, Caroline Sabin,
Jim Young, Maria Dorrucci, Geneviève Chêne, Cristina Mussini, Kholoud
Porter, Heiner C. Bucher, on behalf of the CASCADE Collaboration,
Pretreatment CD4 Cell Slope and Progression to AIDS or Death in
HIV-Infected Patients Initiating Antiretroviral Therapy--The CASCADE
Collaboration: A Collaboration of 23 Cohort Studies, PLoS Medicine,
22th February 2010
 
 
 
 
 
 
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